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Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V.

Licht aus, Film ab

Kino im Juz – magisch!

An den Sound erinnern sich viele noch sehr gut – an dieses Knattern und Surren der „Bauer Licht- und Magnetton-Projektoren“, die in den Jugendzentren der 70er und frühen 80er Jahre für echtes Kinofeeling sorgten. Ein erstaunliches Phänomen, diese selbstgemachte Kinokultur, die heute, in Zeiten von YouTube und diesen kleinen Handfernsehern ganz weit entfernt scheint. Es war ein Phänomen, das möglich wurde durch die neu gewonnenen Räume und die Freiheit, darin endlich das machen zu können, was kollektives Interesse war. Und das war damals: gemeinsam Filme zu schauen – und zwar solche, die sonstwo nicht zu sehen waren. Musikfilme, politisches Kino und Autorenfilme, Filme mit Anspruch und kritischen Impulsen. Und so saß man dann zusammengedrängt auf den Stühlen und Sofas im Juz und ergab sich dieser ganz speziellen Atmosphäre des Kinos, diesem „Fenster zu einer anderen Welt“.

Welche Bedeutung das Kino in den Jugendzentren hatte, wie das alles organisiert wurde und was es bewirkte, darüber geben einige Aktive aus der damaligen Zeit Auskunft. Thommy Brück, engagiert im Juz Illingen und später beim VSJS erzählt von seinen Kinoerfahrungen: „Beim Kino ging es uns darum eine andere Öffentlichkeit herzustellen, das war Teil unserer Bildungsidee. Zugute kam uns damals, dass das bundesdeutsche Kino, aber auch das europäische, sich neu formierte. Plötzlich waren da Regisseure wie Fassbinder, Werner Herzog, Alexander Kluge, die ganz spezielle Filme gemacht haben, die ja auf große Ablehnung in der Gesellschaft gestoßen sind. Und wir Jugendzentren, die wir ja sowieso auch gegen diese Gesellschaft in Opposition waren, also nicht um sie zu zerstören, sondern um sie zu verbessern, sahen uns als natürliche Partner dieser neuen Filmströmung. Diese Filme mussten eine Öffentlichkeit finden.

Dazu mussten wir uns ein System überlegen, wie wir diese Filme zeigen konnten. Auch weil die traditionellen Kinobetreiber nicht mit uns zusammenarbeiten wollten. Die haben versucht, die Vorführlizenzen exklusiv zu behalten. Denn ohne Lizenz keine öffentliche Vorstellung. Eigentlich gab es nur einen Filmverleih, den ATLAS-Filmverleih, die hatten sich spezialisiert auf solche nichtkommerziellen Filme. Deren Filme durfte man auch zeigen, wenn man einen sogenannten Filmclub gründete. Die Jugendzentren haben dann Filmclubs gegründet; man ist für den einen Tag Mitglied in diesem Club geworden und dann konnten wir diese Filme zeigen.

Unser Filmprogramm bestand zumeist aus sozialkritischen Filmen, die so ein breites, meist jugendliches Publikum fanden. Arthouse oder Programmkinos gab es damals nicht. Ein weiterer großer Verdienst dieser JuZ-Kinos war auch, dass wir internationale Filme zeigten, Regisseure aus Frankreich, Italien, die in Deutschland nicht zu sehen waren, oftmals mit Untertitelung.

Über dieses JuZ-Kino haben sich unglaublich viele Leute engagiert. Fast in jedem Jugendzentrum im Saarland gab es diese Kinoenthusiasten, die all das zwischen den Jugendzentren organisierten. Die Filmrollen wurden ja noch mit der Bahn verschickt damals. Freitags kamen die an, samstags Vorführung, sonntags wieder zurück oder zum nächsten JuZ. Das war ein irrer logistischer Aufwand, hat aber gut funktioniert. Und das Kino hat auch sehr viele Leute angesprochen. Bei uns in Illingen waren öfter 100 Leute im Film, und das im Nebensaal einer Kneipe. Cinema Paradiso!

Alles in allem war das ein sehr kollektives Erlebnis, das hat auch später viele dazu gebracht, andernorts mit Kino weiter zu machen.“

Erinnert heute noch an die Kinophase im Juz: Die Fassade des Juz Försterstraße

An das „große Kino im kleinen Juz Schaumberg“ in Sotzweiler erinnert sich Stefan Brenner: „Ein Highlight war die Film-AG. Das Juz besaß nämlich einen 16mm-Tonfilmprojektor, Anfang der 80er Jahre eine Ansage in Sachen Heimkino – die Video-Manie steckte noch in den Kinderschuhen. Man konnte bei der „Landesbildstelle“ in St. Wendel Spielfilme auf 16mm ausleihen, vermutlich kostenlos. Auf eine Dia-Leinwand projiziert, ergab sich so in unserem Juz so etwas wie Kino-Atmosphäre. Und die Filme waren schon etwas Besonderes: An „Adel verpflichtet“ und „Ladykillers“ mit Alec Guinness erinnere ich mich noch, ebenso an „Der Blaumilchkanal“ von Ephraim Kishon und an Monty Python. Das Juz war dann immer voll, meist hatten wir zu wenig Stühle. Heute würde man damit niemanden mehr vom Handy weglocken, aber für uns war das damals im wahrsten Sinne des Wortes großes Kino im kleinen Juz. Die Atmosphäre der Film-Abende hatte etwas Magisches, was man sich heute nur noch schwer vorstellen kann.“

Zwei Geschichten aus zwei Jugendzentren, die für fast alle anderen in der damaligen Zeit stehen können. Kinoabende gab es in jedem Jugendzentrum und meist auch Kinobegeisterte, die dafür brannten, außergewöhnliche Filme nicht nur selbst zu schauen, sondern auch anderen zu präsentieren. Und wenn das Kino im Juz aus allen Nähten platzte, mussten größere Räume her. Zumindest aus Heusweiler und Losheim wird berichtet, dass man phasenweise mit dem Kinoprogramm in das örtliche Filmhaus umzog und dadurch die Juz-Filme auf großer Leinwand liefen. Wie langlebig die  Kinoleidenschaft sein kann, zeigt sich in Losheim, wo der heutige Verein „Filmfreunde Losheim“, das alte Kino, die „Lichtspiele“ Losheim, wiederbelebt hat – nicht zufällig sind dort auch einige aktiv, die früher im Juz-Kino dabei waren.

Die außergewöhnlichste Geschichte hat aber das Juz St.Ingbert zu bieten. Dort versammelten sich Mitte der 70er Jahre eine Truppe Kino-Enthusiasten und gründeten die „Kinowerkstatt“. Diese wurde im Laufe der Jahre immer professioneller und heute beherbergt das Jugendzentrum in der Pfarrgasse in St.Ingbert eines von drei kommunalen Programmkinos des Saarlandes. Aus einer Kinoreihe im Juz wurde ein überregional bekannter Ort alternativer Filmkultur mit einem außergewöhnlichen Filmangebot. Diese Geschichte gibt es ausführlicher hier nachzulesen.