Junge Menschen, die für selbstverwaltete Räume kämpfen, stoßen immer wieder auf den Widerstand verantwortlicher Politikerinnen und Politikern aus den Städten, Landkreisen und Gemeinden. Das Argument lautet häufig: die Förderung und Unterstützung der Jugendarbeit sei freiwillig und außerdem sei dafür kein Geld da. Beide Argumente sind falsch!
Doch wie verhält es sich wirklich mit der Förderpflicht der Städte, Landkreise und Gemeinden und wie kann man für die eigene Initiative und das eigene JUZ argumentieren?
Zugegeben, die Argumente, Zuständigkeiten und Prozesse, die dahinterliegen sind kompliziert und sehr formal. Dennoch ist es sinnvoll und hilfreich sich damit zu befassen. Der folgende Text ist ein erster Einstieg zu den rechtlichen Grundlagen, den fachlichen Argumenten und politischen Zusammenhängen. Im Anschluss gibt es einige Links und Dokumente zur Vertiefung einzelner Themen.
Gibt es eine rechtliche Grundlage für selbstverwaltete Jugendarbeit bzw. JUZe?
Ja, die gibt es. Die selbstverwaltete Jugendarbeit ist ein Teil der so genannten „Offenen Jugendarbeit“ und ist im „§ 11 Jugendarbeit“ des Sozialgesetzbuches Achtes Buch geregelt. Dieses Gesetz, kurz SGB VIII genannt, regelt viele Themen rund um die Kinder- und Jugendhilfe, also auch die Schulsozialarbeit, die Jugendberufshilfe, den Kinderschutz oder die Heimerziehung. Der wichtigste Satz in § 11 SGB VIII heißt: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen.“ Diese erforderlichen Angebote sind unter anderem die „Offene Jugendarbeit“, zu der die selbstverwaltete Jugendarbeit zählt.
Sind bestimmte Ziele oder Inhalte vom Gesetz vorgegeben?
Ja auch hierzu sagt der § 11 SGB VIII einiges. Die Angebote der Jugendarbeit sollen „an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“ Weiter werden sechs Schwerpunkte genannt, für die selbstverwaltete Jugendarbeit ist besonders relevant: die außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung sowie die Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit. Mancherorts spielt auch die internationale Jugendarbeit in den Juzen und Jugendtreffs eine Rolle.
Wir sehen also, dass die selbstverwaltete Jugendarbeit eine vom Gesetz her vorgesehene, inhaltlich bestimmte und zu fördernde Leistung der Kinder- und Jugendhilfe darstellt.
Wer genau ist denn für die Leistungen in diesem Gesetz zuständig?
Für die Leistungen der Jugendarbeit ist immer der – und jetzt kommt ein formaler, komplizierter Begriff: örtliche, öffentliche Träger der Jugendhilfe zuständig. Das ist immer die Stadt, die Gemeinde bzw. der Landkreis in dem die selbstverwaltete Jugendarbeit konkret gemacht wird. Das heißt der Ansprechpartner sind immer die Politikerinnen und Politiker die für den Bereich Jugendhilfe zuständig sind und die jeweilige Verwaltungsstelle, die meistens Jugendförderung oder ähnlich heißt. In größeren Städten und Landkreisen ist die Jugendförderung ein Teil des Jugendamtes.
Ist die Förderung der selbstverwalteten Jugendarbeit freiwillig für die Städte, Gemeinden und Landkreise?
Nein! Die Jugendarbeit ist eine so genannte Pflichtleistung. Das heißt die Städte, Gemeinden und Landkreise müssen diese Leistungen oder deren Förderungen bedarfsgerecht zur Verfügung stellen. Dabei kann die Förderung unterschiedlich aussehen: direkte Geldleistungen, Überlassung von Räumen, Zuschüsse für Kosten, Beratung und Unterstützung usw.
Wer bestimmt was und ob etwas bedarfsgerecht ist?
Die Städte, Gemeinden und Landkreise, die groß genug sind um ein eigenes Jugendamt zu haben, müssen eine so genannte Jugendhilfeplanung machen. Hier wird der Bedarf an Jugendarbeit festgestellt. Für kleinere Gemeinden ohne eigenes Jugendamt übernimmt diese Funktion der Landkreis zu dem die Gemeinde gehört. Konkret wird die Jugendhilfeplanung vom Jugendhilfeausschuss verabschiedet und verantwortet.
Wenn es eine Initiative von Jugendlichen für einen Jugendtreff oder ein JUZ vor Ort gibt, ist von einem Bedarf schlichtweg auszugehen.
Ist der Bedarf festgestellt, MUSS die Stadt, die Gemeinde, der Landkreis unterstützen und fördern. Das Geld dafür ist dann bereitzustellen.
Also leere Kassen der Städte, Gemeinden und Landkreise sind kein Argument gegen die Pflicht bedarfsgerechte Jugendarbeit anzubieten.
Wer sitzt in diesem Jugendhilfeausschuss und was darf er bestimmen?
Der Jugendhilfeausschuss besteht zu 3/5 aus Politikern und Politikerinnen aus den aktuell gewählten Parlamenten der Städte und Landkreise. Die anderen 2/5 der Personen kommen von Vereinen und Organisationen, die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe in dieser Stadt bzw. diesem Landkreis machen: Zum Beispiel die großen Verbände wie Arbeiterwohlfahrt, Caritas und Diakonie oder Jugendverbände wie BDKJ, CAJ usw. aber auch Vereine, wie z.B. Elternvereine die Kitas betreiben.
Der Jugendhilfeausschuss ist verantwortlich für die Jugendhilfeplanung, die Förderung der freien Jugendhilfe (das sind die Vereine und Organisationen, siehe oben), er debattiert aktuelle Problemlagen junger Menschen und ihrer Familien und macht Anregungen und Vorschläge für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe.
Der zuständige Jugendhilfeausschuss in Euren Städten und Landkreisen ist also ein wichtiges Gremium, in dem ihr Eure Bedarfe, Forderungen und Wünsche vorbringen könnt.
Die Sitzungen sind öffentlich, man darf einfach hingehen. Die Termine sind meist auf der Homepage der Städte und Landkreise zu finden.
Quelle:
Der Text basiert auf: Emanuel, Markus (2011): Freiwillige Leistung oder Pflichtaufgabe? 20 Jahre Missverständnisse in der Praxis über Leistungsansprüche aus dem SGB VIII, in: ZKJ, 6/2011, S. 207-212.
Dokumente, Links und Handreichungen
Es gibt ein Rechtsgutachten, dass Jugendverbände zu fördern sind. Die selbstverwalteten Initiativen sind zwar noch keine klassischen Jugendverbände, aber viele Argumente und Hinweise kann man übertragen. Eine kurze Zusammenfassung gibt es hier: LINK
Das ganze Gutachten kann hier heruntergeladen werden: LINK
Eine Arbeitshilfe zu diesem Thema gibt es hier: LINK
Handreichung für die Arbeit im Jugendhilfeausschuss LINK