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Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V.

JUGEND BRAUCHT RAUM

Selbstverwaltete Jugendzentren und Jugendtreffs im Saarland

Jugend braucht Raum ist nicht nur das Motto des Verbandes saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung, sondern steht für eine zentrale Forderung innerhalb der Jugendarbeit allgemein: Jugendliche brauchen Freiräume um eigene Lebensentwürfe und Orientierungen ausprobieren zu können. Werden solche Freiräume ermöglicht, erweist sich die Jugendarbeit als ein besonders fruchtbares Feld sozialen Lernens. Sie unterstützt die Entwicklung zur selbständigen Persönlichkeit, fördert soziales Verhalten und soziales Bewusstsein, öffnet gleichzeitig den Blick für weiterreichende
gesellschaftspolitische Fragen und kann junge Menschen befähigen, sich als verantwortlich Handelnde, aktiv an dem Prozess der demokratischen Entwicklung und Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen. Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen die Arbeit der selbstverwalteten Jugendzentren und Jugendtreffs als wichtiges Feld der Jugendarbeit im Saarland vorstellen.

SELBSTVERWALTETE JUGENDTREFFS

Von Sitterswald im Süden bis Nonnweiler im Norden, von Faha im Westen bis Jägersburg im Osten, im Saarland ist in den letzten 40 Jahren eine Juz-Szene entstanden, die bundesweit ihresgleichen sucht. Die selbstverwalteten Jugendzentren und Jugendtreffs gehören zum Erscheinungsbild beinahe jeder Gemeinde im Saarland und sind damit ein wichtiger Aktivposten in der saarländischen Jugendarbeitslandschaft. Etwa 130 selbstverwaltete Jugendzentren und Jugendtreffs gibt es zur Zeit. Damit verbunden ist ein enormes ehrenamtliches Potential bei den aktiven Jugendcliquen. Etwa 2.000 Jugendliche engagieren sich landesweit in den selbstverwalteten Einrichtungen. Es wird oft lamentiert, dass sich Jugendliche nicht mehr sozial oder politisch engagieren. In der Juz-Szene sieht man den lebendigen Gegenbeweis. Im Saarland nehmen viele Jugendliche die Sache selbst in die Hand, gründen, bauen und organisieren ihren Jugendtreff und sind so in ihrer Gemeinde aktiv. Und neben dem Spaß an der Sache macht man im Jugendtreff einen Intensivkurs in Sachen soziales Lernen. Im Rahmen der Selbstorganisation haben Jugendliche die Möglichkeit selbst Verantwortung zu übernehmen. Sie lernen Konflikte auszutragen und üben sich in Teamfähigkeit. Jugendtreffs sind damit ein wichtiges Lernfeld für selbst erlebte und gestaltete Demokratie. Dies ist der Beitrag der Offenen Jugendarbeit zur Mündigkeit und Politisierung junger BürgerInnen jenseits der Parteienpolitik und damit ein Grundpotential einer aktiven Bürgergesellschaft.

MARKENZEICHEN VIELFALT

Ein Blick in die Jugendzentrumsszene zeigt die Vielfalt der Juzkultur im Saarland. Da gibt es Fossilien, wie der Jugendclub Steinbach, der 1969 gegründet wurde, und neue, wie den Jugendclub Schaffhausen. Es gibt die, die nur über einen engen Kellerraum verfügen wie in Habkirchen, oder die klassische alte Schule wie in St.Ingbert mit etlichen Räumen unterschiedlicher Größe. Es gibt Juze mit einem großen Einzugsgebiet, dafür aber für eine spezifische Jugendszene wie das P-Werk in Blieskastel, das mit seinem Konzertprogramm in der ganzen Region für Furore sorgt. Oder in der Gemeinden werden flächendeckend in jedem Ortsteil Jugendtreffs organisiert, wie in der Gemeinde Rehlingen-Siersburg. Es gibt Treffs, die mit erheblichem Engagement von den Jugendlichen selbst umgebaut werden wie in Niedergailbach und es gibt die fertige Containerlösung wie in Kirkel. Und es gibt die unterschiedlichsten Musikszenen in den Treffs. Zwischen Punk, Hip-Hop und Techno liegen bekanntlich Welten. Auch bei der internen Organisation gibt es die ganze Brandbreite je nach Bedarf der NutzerInnen. Von Treffs, die spontan alle paar Tage öffnen und schauen, was sie machen wollen, bis zu solchen, die straff durchorganisiert sind mit wöchentlichen Sitzungsprotokollen und Kampfabstimmung auf der Vollversammlung ist alles vertreten.

ALLES MUSS MAN SELBER MACHEN

„Wenn wir nichts selber machen ist hier gar nichts los“, ein Vorstandsmitglied des Juz Kirkel bringt auf den Punkt was hinter mancher Juz-Initiative steckt. In vielen Ortschaften sind die Jugendtreffs die einzigen Möglichkeit sich mit seinen Freundinnen und Freunden einfach nur zu treffen und das zu tun, worauf man Lust hat. Und das kann manchmal auch einfach nur Nichtstun oder Quatschen sein. Ohne Kleiderordnung, ohne Verhaltenszwang, ohne Mitgliedsausweis, ohne Bevormundung, Gängelung und Kontrolle und ohne Aktivitätsvorschriften („heute ist Spielenachmittag“). Diese Offenheit gegenüber den Interessen der Leute, die in den Treff kommen ist zunächst mal das Erfolgsgeheimnis. Natürlich läuft in den Treffs noch viel mehr – in den großen Juzen z.B. viele Konzerte, Diskos, politische Veranstaltungen. In vielen ländlichen Ortschaften beteiligen sich die Treffs am Vereinsleben, helfen beim Dorffest, machen Wohltätigkeitsveranstaltungen, Waldsäuberungen und organisieren Ferienfahrten und Wochenendlager. Ohne die Aktivitäten der Treffs sähe es auf dem Land manchmal ganz schön öde aus und in mancher Stadt würden wichtige jugendkulturelle Ereignisse fehlen. Damit trägt ein selbstverwalteter Raum auch zur Attraktivität einer Kommune für junge Leute bei. Hier ist man als Jugendlicher in seinem Ort sozial eingebunden und fühlt sich heimisch. Das verbessert die Bleibeperspektive gerade auf dem Land.

MARKENZEICHEN SELBSTVERWALTUNG

In den Treffs läuft generell nur so viel, wie jeder bereit ist selbst mit anzupacken. Einsatz, Ideen und Engagement sind gefragt. Aber gerade der eigenverantwortliche Charakter regt Jugendliche an für sich und andere aktiv zu werden. Dies ist der Kern der Selbstverwaltung. In Juzen gibt es keine Bevormundung. Die Spielregeln, nach denen der Treff verwaltet wird, geben sich die Juzlerlnnen selbst. Natürlich im Rahmen der Nutzungsvereinbarung, die mit der Gemeinde abgeschlossen wurde und der Hausordnung die man gemeinsam beschlossen hat. Die Selbstverwaltung bedeutet vor allem auch Arbeit und endlose Sitzungen, Vereinskram und Putzdienstplan, Thekendienst und Behördengänge, Krach mit den Nachbarn und BesucherInnen, die ihren Frust am Juz-Mobiliar auslassen. Ganz nebenbei wird man dann zum Experten für Vereinsrecht, hat einen Grundlehrgang in Gruppendynamik und Kommunalpolitik erhalten und kann perfekt mit Besen und Konflikten umgehen. Und wenn man sieht, dass man am Ende trotz Ärger und Mühen etwas durchgezogen hat, dann überkommt einen manchmal eine Portion Stolz und Selbstbewusstsein, sodass man gerne weiter macht und sich nach seiner Zeit im Juz auch andere Betätigungsfelder sucht – die hohe Dichte an ehemaligen Juz-Vorständen in Vereinen und Ortsräten ist ein Symptom davon.

MARKENZEICHEN KONFLIKTE

Natürlich gibt’s in den Treffs Phasen in denen entweder zu viel oder zu wenig los ist, eher Tristesse oder auch Stress angesagt ist. Phasen allgemeinen Siechtums, in denen sich keiner mehr ins Juz traut, weil der Aufputz von der letzten Party unerledigt blieb und nun die Reste lebendig werden. Oder die Technoparty läuft so gut, dass sich die halbe Umgebung ums Juz versammelt und auch bei Sonnenaufgang noch nicht nach Hause will. Da die Nachbarn selten zum Mitfeiern bereit sind, steht das Thema „Jugendtreff“ auf der nächsten Ortsratssitzung fest. Gründe für die Problemphasen gibt es viele. Neben Grundsätzlichem wie ungeeigneter Lage der Räumlichkeiten und fehlender politischer Rückendeckung gibt es auch die Klassiker an der Konfliktfront: Die Leute, die jahrelang verantwortlich waren sind zum Studieren weggezogen oder widmen sich der Familien- statt der Juzplanung und hinterlassen ein Vakuum in dem sich zunächst mal Chaos und Anarchie breit machen. Der Nachwuchs fragt sich zunächst wieso sich die Essensreste nicht von selbst entfernen, wie eigentlich die Toilettenpapierrollen auf den Halter kommen und warum keine neuen Getränke im Kühlschrank sind. Das sind dann auch die Phasen in denen Ortsvorsteher des Öfteren mit hochrotem Kopf auf der Matte stehen. Auch das gehört dazu.

RECHTLICHE GRUNDLAGEN

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz liefert die gesetzliche Grundlage für die Arbeit der selbstverwalteten Jugendzentren und Jugendtreffs. In §11 steht: „(1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen, von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“ Mit diesem gesetzlichen Auftrag wird das Feld der Jugendarbeit beschrieben als Lernfeld im Hinblick auf Selbständigkeit und Mündigkeit. Für Jugendliche heißt das: Sie haben das Recht eigenständig zu sein, ihre Interessen zu artikulieren, an Entscheidungen mitzuwirken, sich an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen, ihre Interessen selbst zu vertreten. Und sie haben ein Recht auf die dafür notwendigen Voraussetzungen, wie eben auch Räumlichkeiten.

ALS ERWACHSENE

müssen wir alle auch unseren Teil zum Gelingen beitragen. Dazu gehört zunächst einmal eine angemessene Fehlertoleranz, starke Nerven und der Wille den „Jungen“ auf Augenhöhe zu begegnen. Auch wenn viele KommunalpolitikerInnen den Juzen mittlerweile aufgeschlossen gegenüberstehen, gibt es stellenweise noch Aufholbedarf. Hier ist eindeutig mehr Geduld der Erwachsenen angesagt gegenüber den Versuchen von Jugendlichen, sich eigenverantwortlich zu betätigen. Dazu gehört auch ein gewisser Vertrauensvorschuss und mal ein Auge zuzudrücken, nicht gleich mit Repressionen zu drohen, wenn es Ärger mit der Nachbarschaft gibt, sondern bei auftretenden Schwierigkeiten lieber unterstützend zur Seite zu stehen. Zu einem vertrauensvollen Umgang gehört eben nicht sich nach der Party Montags morgens Zugang zu den Juz-Räumen zu verschaffen und Beweisfotos vom Chaos zu machen, sondern mit dem Juz-Vorstand eine Begehung zu vereinbaren. Jugendliche Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit können genauso von erwachsenen Vorstellungen abweichen, wie das Empfinden von Zeit. Während die Abstände zwischen zwei Ortsratssitzungen oder die Bearbeitung eines Antrags in der Verwaltung für ältere Menschen wie im Flug vergehen, können dieselben Zeiträume unendlich erscheinen, wenn man 16 ist. Hier gilt es im Gespräch aufeinander zu zugehen. In Jugendzentren gibt es zwangsläufig Höhen und Tiefen, nervenaufreibende Konfliktphasen und stundenlange Klärungsgespräche. Dies sind aber auch die Phasen, bei denen am meisten gelernt werden kann, der Zusammenhalt erst richtig gestärkt wird. Wer eigenverantwortliche und mündige junge BürgerInnen will, der muss ihnen auch einen Freiraum zugestehen, in dem sie sich ausprobieren und eigene Erfahrungen sammeln können – und dabei kann halt auch mal was schiefgehen.

DER ORTSVORSTEHER

von Oberesch, Michael Engel, meint: „Um zu lernen, was für ein späteres Vereinsleben wichtig ist, ist Selbstverwaltung schon wichtig. Weil man selbst lernt, mit eigenen Ideen umzugehen und die dann verantwortlich umzusetzen. Das lernt man, wenn man sich nicht noch auf einen Häuptling drüber verlassen kann, sondern wenn man dann selbst in der Verantwortung ist. Wenn man dann selbst beim Nachbarn klingelt und sich selbst mit dem auseinandersetzt. Und es ist unglaublich wichtig, dass man Fehler machen kann und lernt, damit auch umzugehen.“