Connecting People
Paul Hock war von 2014 bis 2020 im JUZ Limbach aktiv. Seit 2022 ist er der Vorsitzende des Verbandes. Hier seine Geschichte:
Politik, Punk, Bier und Juz
Ich bin in Limbach bei Homburg groß geworden, auf dem Dorf. Als 2014 der Pegida Ableger SAARGIDA regelmäßig im Saarpfalzkreis mobilisierte, hat sich eine kleine Gruppe aus Altstadt und Limbach gefunden, die sich über Ecken kannte und was dagegen machen wollte. Wir waren zu dem Zeitpunkt zwischen 16 und 17 Jahre alt und haben dann angefangen, gemeinsam auf Demos zu fahren, haben da dann immer mehr Menschen kennengelernt, die sich antifaschistisch engagierten und Teil einer Szene waren, die auch über den politischen Aktionismus hinaus sehr attraktiv war (Punkkonzerte und Bier trinken).
Irgendwann haben wir spitzgekriegt, dass es da einen Raum in Limbach gibt, der meistens leer steht. Meine Eltern haben mir damals erzählt, dass die in den 80ern da schon im Juz aktiv waren. Von Konzerten und Demos kannten wir natürlich Storys von Orten wie dem AJZ Homburg, und sowas wollten wir natürlich auch, auch wenn mir damals, glaube ich, gar nicht so klar war, was das war, was wir wollten.
Matthis kannte den Tobi von juz-united von Konzerten. Der hat uns ein bisschen an die Hand genommen und den Kontakt zu Armin und Sandra von der Jugendpflege hergestellt.
Und dann waren wir da in diesem Raum, der sauversifft war, ziemlich runtergekommen, und da haben wir uns auf Anhieb sehr wohl gefühlt.
Junge Menschen werden im Juz Limbach auf Händen getragen
Generationenübergänge im Juz
Es gab dann aber doch noch einen Vorstand, der zeitweise mehr oder weniger aktiv war. Von dem haben wir das dann später übernommen, immer wieder mit Konflikten, aber auch mit schönen Erlebnissen.
Diese Phasen der Generationenübergänge sind, jetzt so im Nachhinein betrachtet, ein ganz wichtiger Teil der Lernwelt Jugendzentrum. Dass da Leute, die da viel Zeit drin verbracht haben, auch das Gefühl haben, irgendwie einen Anspruch zu haben, da noch mitzubestimmen ist zum einen total verständlich, führt aber zwangsläufig zu Konflikten. Denen es dann einfach schwer fällt, loszulassen und zu sehen, hey, die haben ganz andere Ansichten, das ist gar nicht meins, was aber auch ok ist. Auch wenn dann da die alte Couch verbrannt wird, die man vor Jahren von der Oma organisiert hat.
Ich glaube, das ist viel intrapersoneller Konflikt. Es geht dann oft darum, dass sich eine Person freut, dass da wer nachkommt aber gleichzeitig auch einen Anspruch hat, der dem entgegensteht. Oder halt ein Gefühl, was das mal für einen selbst war und das ist es halt nicht mehr, quasi stellvertretend für diese inneren Konflikte des Erwachsenwerdens mit Anfang, Mitte Zwanzig. Da kommt es dann oft zu emotional sehr aufgeladenen Situationen aus denen man rauskommt, wenn man diese Bedürfnisse und Erwartungen artikulieren kann. Und das ist uns damals auch gelungen, dass man sich trotzdem zusammengesetzt hat und regelmäßige gemeinsame Vollversammlungen und Vorstandsitzungen gemacht hat, um diese Ansprüche auszuhandeln.
Wobei es, bis wir das Heft dann endgültig in der Hand hatten, natürlich in uns gewütet hat und wir haben gedacht, die Alten, die sollen das jetzt echt mal loslassen. Im Nachhinein kann ich das total nachvollziehen, da ich das von mir inzwischen auch kenne, als wir dann da raus sind. Aber das ist ja auch das Schöne, dass man daran sieht, was das für Leute bedeutet und dass das einfach ein emotional total aufgeladenes Ding ist.
Romantisch. Der Juz-Garten bei Nacht
Alltag im JUZ und demokratische Prozesse
Das Alltagsgeschäft haben wir schon ganz früh übernommen. Das war dann ganz spannend, weil wir ja dann wöchentliche VVs (Vollversammlungen) gemacht haben. Aber eigentlich bist du das ja nicht gewohnt, diese Alltagsaufgaben und Entscheidungen gemeinsam auszuhandeln.
Und das ist ja der Punkt, der erst im Nachhinein klar wird, was für eine enorme logistische, aber auch kommunikative Aufgabe das ist, da irgendwie das Alltagsleben zu organisieren und dass da viele coole Dinge passieren können.
In Schule, Ausbildung oder auch Beruf bewegen wir uns ja häufig in Strukturen, die uns auferlegt werden, nur sehr bedingt veränderbar sind und Mitsprache kaum zulassen. Im JUZ ist das im besten Fall anders. Also so ein Mikrokosmos, wo Demokratie nicht theoretisch abgehandelt wird, sondern diese Aushandlungsprozesse real stattfinden, auch als Gegenentwurf zu autoritären Strukturen. Das bedeutet auch, dass man unterschiedliche Rollen einnehmen kann und dass das Selbst-infrage-stellen auch gelernt und trainiert wird. Wo wir frei sind, zu diskutieren und unsere Ansichten und Mittel, wie wir mit den Aufgaben umgehen, selbst entwickeln können. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit und ich glaube, Menschen, die diese Erfahrungen in Jugendzentren gemacht haben, können da mit einem ausgeprägten Verständnis für demokratische Prozesse rausgehen.
Ja, und dadurch, dass dieser Raum nicht vordefiniert war, hat sich für uns immer wieder was verändert. Wir hatten Phasen, da hatten wir recht große Konzerte, wo der Laden dann mit über 100 Leuten voll war. Oder unsere Punkrocktresen, die sich zu nem regelmäßigen Treffen der Szene im Saarpfalzkreis mauserten. Das war schon immer fett für uns. Es gibt viele schöne Erlebnisse von Konzerten, wo ich nachts nicht an der Kasse sitzen musste, sondern eben Besucherinnen oder Besucher da sind, die die Veranstaltung geil finden und sagen hey, lass mich mal machen. Das war für mich so ein Aha-Erlebnis, dass wir als irgendwie 17, 18-Jährige dann etwas auf die Beine stellen, was die Leute so cool finden, dass sie mitmachen wollen, was wir auch richtig cool finden, und das nur durch unserer Hände Arbeit und viel diskutieren irgendwie klappt.
Es gab aber auch Zeiten, wo klar war, da trifft man sich und da kann man halt einfach sein. Die andere Sache, die ich spannend finde, ist, dass dieser Ort in meiner Erinnerung so positiv besetzt ist, obwohl da so viel Arbeit drinsteckt. Dass Arbeit, und auch viel Arbeit, die nervenzehrend ist, nicht scheiße sein muss. Dass Lohnarbeit und Schule oft scheiße sind, dass das aber vielleicht auch okay ist, wenn man da noch was hat, was Spaß macht und identitätsstiftend ist. Dass ich in der Lage bin, mir meine Lebensrealitäten zu schaffen, in einem Raum, der natürlich von Aushandlungsprozessen mit meinen Mitmenschen bestimmt ist. Aber doch grundsätzlich so, wie ich das will, wie es mir darin gut geht und wie es den anderen auch darin gut geht und dass das funktioniert, dass das Wohlfühlen des einen nicht mit einem Verlust des anderen einhergehen muss. Das ist kein Raum, wo ich mich ergeben muss, da ist nichts, dem ich mich ergeben muss.
Das Gefühl hatte ich sehr stark, dass Strukturen vorgefertigt, vorgegeben sind. Aber es gibt auch die Möglichkeit, Strukturen zu verändern und sich neue zu schaffen. Ich glaube, dass viele Leute in ihrer Jugend das Gefühl haben, Systemen irgendwie ergeben zu sein und es total schwer ist, Erfahrung von Selbstverwirklichung und Selbstwirksamkeit machen zu können. In sowas wie Schule, in dem vorgegebenen Rahmen von Benotung und Leistung, geht das sicher nicht.
Schule, Ausbildung, Studium, juz-united
Ja, und irgendwann ging es auch darum, mal nen Schulabschluss zu machen. Ich hatte viel Stress in der Schule, hatte in meiner Freizeit (vorzugsweise im JUZ) ja aber auch genug wichtigere Dinge zu tun als zu lernen, was dann zu einem extrem mittelmäßigen Mittleren Bildungsabschluss geführt hat, der meiner vagen Idee von Studium dann plötzlich im Weg stand.
Kurzerhand hat mich meine Mutter dann zum Arbeitsamt geschleppt. Denen hab ich erzählt, was ich so mag und was ich in meiner Freizeit so treibe. So bin ich dann Erzieher geworden, hab in der Ausbildung richtig Spaß am Lernen entwickelt und gemerkt, dass es sogar Arbeit gibt, die einem Spaß macht und sinnstiftend ist und für die man dann auch noch bezahlt wird. Während Corona hab ich dann im vollstationären Heimbereich in einer Wohngruppe gearbeitet und da schnell gemerkt, dass ich noch weiter lernen will und jetzt bin ich Langzeit-Student der Psychologie (hoffentlich nicht mehr ganz so lange).
Nach Corona hab ich mir gedacht, dass es zwar sehr bequem ist, Vollzeitstudent mit viel Zeit zum „Studieren“, aber wenig Geld zu sein, dass es aber auch schön wäre, mal in Urlaub zu fahren oder Matthis, der inzwischen in einer unserem JUZ nicht unähnlichen Kneipe arbeitete, auch mal was für mein Bier geben zu können.
Also habe ich Tobi gefragt, ob es bei juz-united nicht noch Jobs gibt. Ja, und so kam das dann, dass ich zwei Jahre, nachdem ich aus dem Juz Limbach raus war, also so mit 24, wieder zurück nach Limbach bin, dann als Gesandter von juz-united.
Mein Job war, das Juz nach Corona nochmal zu beleben. Und dann habe ich mich auf die Suche nach Jugendlichen im Ort gemacht und habe sogar welche gefunden, bis die dann aber ins JUZ kamen und das auch noch während ich da war, hat es einige Wochen hartnäckigen Aufsuchens gebraucht. Als ich die dann endlich im JUZ hatte, waren die ganz anders als wir damals. Obwohl ich in dieser professionellen Rolle war, habe ich dann in dem Moment diesen Stich gespürt, der ja auch immer wieder zu den Auseinandersetzungen mit den JUZlern vor uns geführt hatten. Da waren dann auch immer wieder Momente, in denen ich wirklich die Zähne zusammenbeißen musste und gedacht habe, das geht jetzt gar nicht und die Mucke ist so fürchterlich und oh Scheiße, das hätte ich jetzt nicht gemacht und wenn irgendwas abgerissen wurde, was ich fünf Jahre vorher mit irgendwem gebaut hatte und damals – oh Mann – so viel Zeit reingesteckt habe. Ja, diese Widersprüche dann auszuhalten war auch ein spannender Prozess.
Irgendwann hat mich Tobi dann gefragt, ob ich nicht für den juz-united-Vorstand kandidieren will. Und dann wurde ich zum ersten Vorsitzenden gewählt.
Connecting-Arbeit
Was wir als Vorstand machen, hängt viel mit unserer Erfahrung im Juz zusammen. Als wir damals die Juleica zusammen mit dem Juz Tholey gemacht haben, sind zum Beispiel richtige Freundschaften entstanden und wir sind dann immer ins Nordsaarland gependelt, wenn bei denen Veranstaltungen waren. Und weil wir das als sehr wertvoll erlebt haben, ist ein großes Anliegen unserer jetzigen Legislatur die Frage, wie schaffen wir das, nochmal starke Strukturen zwischen Jugendzentren aufzubauen. Damit man sich als gemeinsame Bewegung mit ähnlichen Themen und Interessen versteht, braucht es natürlich Momente im Alltag, wo Austausch untereinander stattfindet, und man feststellt, die haben die gleichen Probleme, die gleichen Ziele. Themen, die sich zwangsläufig aus der Selbstverwaltung, und häufig auch aus einer damit einhergehenden Opposition zu Ansprüchen der „Erwachsenenwelt“ ergeben. Erfahrungen, wie mit Kommunen, Gemeinderäten, Eltern umgegangen werden kann, wieso es schlau ist, einen Schichtplan für die Theke an Konzerten zu machen oder was die Gema schon wieder will, haben andere schon gemacht. Leider ist es aktuell so, dass viele Jugendclubs zwar wissen, dass da im Nachbarort ein JUZ ist, man dann aber doch jeweils sein eigenes Süppchen kocht.
Häufig ist gar nicht klar, dass wir im Saarland die höchste Dichte an Jugendzentren in Deutschland haben und damit ganz viel Potential, voneinander zu lernen, aber auch eine ernstzunehmende Stimme sind.
Das Tagesgeschäft beim Verband muss natürlich laufen, dass wir Jugendzentren, wenn nötig unterstützen, Jugendliche aber vor allem fit für etwaige Herausforderungen im und um den Lebensraum JUZ und Selbstverwaltung machen.
Corona hat auch die JUZ-Szene schwer getroffen. Immer wieder durfte nicht geöffnet werden, dann häufig unter Auflagen, die auf Unverständnis unter den Jugendlichen gestoßen sind und mit dazu geführt haben, dass sich dann doch wieder am Bahnhof, statt im JUZ getroffen wurde. Zudem treffen Sparmaßnahmen des Landes und der Kommunen immer häufiger Jugendräume. Da ist es wichtig, dass wir als juz-united tätig werden, in direkten Dialog gehen, aber auch gemeinsam mit den aktiven Jugendlichen und jungen Erwachsenen politische Forderungen formulieren.
Es ist gut, wenn wir durch unser Aktivwerden etwas bewirken können, weil wir als Verband in einer guten Position sind und von der Politik gesehen werden.
Was ich mir aber wirklich wünsche ist, dass wir es schaffen, gemeinsam mit den Jugendlichen ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass in der Zusammenarbeit zwischen den Jugendzentren und dem sich Kennenlernen untereinander ganz viel Potential liegt, laut zu sein und die Themen, Räume und Forderungen junger Menschen selbstbestimmt und selbstorganisiert sichtbar zu machen und zu erstreiten.
Interview und Bearbeitung: Theo Koch