VERBAND SAARLÄNDISCHER JUGENDZENTREN IN SELBSTVERWALTUNG VSJS
Forderungsprogramm zur kommunalen Jugendpolitik für den Kommunalwahlkampf 1974
I. Warum leistet der VSJS einen Beitrag zu den Kommunalwahlen?
1. Der Verband ist verpflichtet, die Interessen seiner Mitgliedsorganisationen zu wahren. Dabei ist zweierlei deutlich zu machen:
a. Alle Mitgliedsorganisationen setzen sich für Jugendzentren ein oder betreiben sie, was in den Bereich kommunaler Jugendpolitik fällt.
b. Das Einsetzen für Jugendzentren in Selbstverwaltung ist ein eindeutig politischer Auftrag, der die Forderung nach einer Jugendpolitik, die sich an den Bedürfnissen der Jugendlichen orientiert zum wesentlichen Inhalt hat.
2. Politik ist keine wertfreie Angelegenheit, sondern hat sich an Interessen zu orientieren und ist konkret durch Interessengegensätze bestimmt. Politik, sofern sie nicht für eigene Profitinteressen missbraucht wird, hat sich an den Interessen der Unterprivilegierten zu orientieren. Es steht ausserhalb jeder ernsten Diskussion, dass in einem kapitalistischen System die Jugendlichen klar auf der Seite der unterprivilegierten Klasse stehen. Es ist daher Aufgabe sowohl des VSJS als auch der einzelnen Mitgliedsorganisationen, die Interessen der Jugendlichen deutlich zu machen und in der Öffentlichkeit zu vertreten. Dabei ist es auch klar, dass anlässlich einer Kommunalwahl eine aktive Interessenvertretung erforderlich ist.
II. Demokratisierung im Bereich kommunaler Jugendpolitik!
1. Jugendpolitik hat vorrangig die Aufgabe, Lernfelder zu schaffen, die den Jugendlichen erlauben, realitätsnah ihre Interessen und Bedürfnisse zu erkennen und zu einer solidarischen aktiven Interessenvertretung zu finden.
In diesem Sinne ist aus den Reihen der Jugendlichen die Forderung nach selbstverwalteten Jugendzentren entstanden. Es ist jedoch zu wenig, sich immer wieder kleine demokratische Inseln erkämpfen zu müssen, sondern Demokratie muss zum Bestandteil der offiziellen Jugendpolitik werden.
Deshalb fordern wir:
SELBSTVERWALTUNG IN ALLEN JUGENDEINRICHTUNGEN!
Dies gilt vorrangig in allen Bereichen der herkömmlichen Jugendpflege, es ist aber genau so notwendig in Einrichtungen der Jugendfürsorge Mitbestimmungsmöglichkeiten zu schaffen. Fürsorgeeinrichtungen bedürfen natürlich auch weitreichender Änderungen in ihren therapeutischen Konzeptionen und in der gesamten Organisation, bevor Mitbestimmung auch dort funktionsfähig wird.
2. Um zu verhindern, dass Selbstverwaltung in Jugendzentren zu realitätsfremden Sandkastenspielen degradiert wird, ist eine reale Mitwirkung der Jugendlichen am kommunalen Geschehen zu garantieren. Reale Mitwirkung heisst, dass die Jugendlichen ihre Interessen direkt in den kommunalen Gremien vertreten können und vollständig in das Informationsnetz der Stadt integriert werden.
Das ist durch die Einrichtung von Jugendparlamenten möglich, die durch Direktwahl besetzt werden. Die Jugendparlamente können ihre Vertreter in alle relevanten Ausschüsse senden, wo sie Rederecht und Antragsrecht besitzen. Das Gleiche gilt für ihre Vertretung im Stadt- oder Gemeinderat. Die Verwaltung ist zur Offenlegung gegenüber Vertretern des Jugendparlaments verpflichtet.
Langfristig ist durch die Änderung des kommunalen Selbstverwaltungsgesetzes auch Stimmrecht für das Jugendparlament zu fordern.
Deshalb unsere Forderung:
EINRICHTUNG VON JUGENDPARLAMENTEN MIT ECHTEN ENTSCHEIDUNGSKOMPETENZEN!
3. Es ist sicherlich nicht damit getan, wenn einzelne Vertreter der Jugendlichen z.B, im Jugendwohlfahrtsausschuss sitzen, denn solange es geheime Tagesordnungspunkte gibt, solange es geheime Sitzungen gibt, ist durch Schweigepflicht weder die Kontrolle der Mandatsträger gewährleistet noch eine durchgängige Information gesichert. Es ist notwendig, dass alle Entscheidungs- und
Planungsprozesse offengelegt werden.
Deshalb unsere Forderung:
ÖFFENTLICHE SITZUNGEN DER KOMMUNALEN AUSSCHÜSSE!
4. Da alle wichtigen Sachinformationen aus der Verwaltung kommen, muss es für die Jugendlichen der offenen Jugendarbeit, für die Verbände und das Jugendparlament gewährleistet sein, dass alle Verwaltungsvorgänge transparent gemacht werden und ohne Anfrage veröffentlicht werden.
Deshalb unsere Forderung:
OFFENLEGUNG ALLER VERWALTUNGSVORGÄNGE!
III: Unterstützung von Jugendzentren und Jugendzentrumsinitiativen!
1. Es ist überall festzustellen, dass es aan Einrichtungen für Jugendliche mangelt, an Einrichtungen, die nicht profitorientiert oder autoritär sondern im Sinne der Jugendlichen betrieben werden. Deshalt ist es wirchtig, dass die wenigen Initiativen nicht sich im Kampf um ein JZ verschleissen, sondern von den Kommunen unterstützt werden. Wichtig gerade für Initiativen ist es, einen Raum und Mittel zu haben, um sich zu organisieren und die Jugendlichenn zu mobilisieren.
Deshalb unsere Forderung:
UNTERSTÜTZUNG DER INITIATIVEN DURCH ÜBERGANGSRÄUME UND FINANZIELLE MITTEL
2. Wichtigstes Ziel einer Initiative ist es, ein Haus oder einen Bau für ein JZ zur Verfügung gestellt zu bekommen. Aufgabe der Kommunen muss es sein, für solche Zwecke Häuser oder für Neubauten Grundstücke bereitzustellen und die Renovierung bzw. den Bau finanziell zu sichern.
Deshalb unsere Forderung:
BEREITSTELLUNG VON HÄUSERN FÜR OFFENE JUGENDARBEIT IN SELBSTVERWALTUNG!
3. Die Inneneinrichtung muss den wechselnden Bedürfnissen der Jugendlichen angemessen sein und eine Vielzahl von Möglichkeiten anbieten. Die Inneneinrichtung sollte von den Jugendlichen bestimmt werden, wobei die Kommune lediglich die Mittel für die Inneneinrichtung und laufenden Betrieb übernimmt. Alles Weitere erledigen die Jugendlichen selbst.
Deshalb unsere Forderung:
ÜBERNAHME ALLER KOSTEN DER EINRICHTUNG DURCH DIE KOMMUNE!
4. Erfahrungen in anderen JZ zeigen, dass für eine pädagogisch sinnvolle Arbeit hauptamtliche Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen erforderlich sind. Dabei ist es mit einer Stelle nicht getan. Bei einem vertretbaren Index müsste man von 1 Sozialarbeiter pro 12 Jugendliche ausgehen. Sicherlich ist davon auszugehen, dass es Aufgabe der Selbstverwaltungsgremien ist, die Stellen zu besetzen und Anweisungen auszusprechen. Die Aufgabe der Kommunen ist es, entsprechende Planstellen und Mittel zur Verfügung zu stellen.
Deshalb unsere Forderung:
ÜBERNAHME ALLER KOSTEN FÜR HAUPTAMTLICHE BETREUER DURCH DIE KOMMUNEN!
IV. Verbesserung der Jugendpolitik
1. Kommunen können nicht nur auf spontane Initiativen reagieren, sondern können nur dann sinnvolle Jugendpolitik betreiben, wenn sie längerfristig planen. Das gilt für bestehende Wohngebiete genauso wie für Neuplanungen. In allen Bereichen ist es notwendig, den Bedarf zu erfassen, wobei die Kriterien der Bedarfserfassung in den demokratisch kontrollierten Ausschüssen mit Beteiligung der Betroffenen erarbeitet werden müssen.
Deshalb unsere Forderung:
GENERELLE BEDARFSERFASSUNG NACH GEMEINSAM ENTWICKELTEN KRITERIEN!
2.Da bisher das Subsidiaritätsprinzip vorherrscht, ist es erforderlich, Kriterien zu entwickeln, nach denen ein potentieller Träger angenommen und auch unterstützt wird. Dabei darf die Finanzkraft des Trägers keine Rolle spielen, sondern nur die Art der inhaltlichen Arbeit, zu der sich der Träger verpflichtet. Die inhaltliche Arbeit muss die Selbstverwaltung als unabdingbares Prinzip beinhalten.
Deshalb unsere Forderung:
BEWILLIGUNG NUR FÜR TRÄGER, DIE DIE SELBSTVERWALTUNG DER EINRICHTUNGEN GARANTIEREN!
3. Jugendzentren haben sicherlich im Bereich der Jugendfürsorge prophylaktische Aufgaben. Das Bedeutet für JZ, dass ihnen ein funktionsfähiger Beratungsdienst zur Verfügung stehen muss. Dieser Beratungsdienst muss darüberhinaus auch der Selbstverwaltung angegliedert sein, um ein echtes Vertrauensverhältnis zu ermöglichen. Deshalb ist es wichtig, JZ vorrangig in unterprivilegierten Wohnvierteln zu errichten.
Deshalb unsere Forderung:
ERRICHTUNG VON JUGENDZENTREN IN SELBSTVERWALTUNG VORRANGIG IN UNTERPRIVILEGIERTEN WOHNGEBIETEN UND BEREITSTELLUNG VON SELBSTVERWALTETEN BERATUNGSSTELLEN!
4. Die Organisation nach dem JWG und nach dem Entwurf eines Jugendpflegegesetzes führt zur Trennung von Jugendpflege und Jugendfürsorge. Diese Trennung ist unsinnig, da sie keine integrierten Massnahmen erlaubt, oder sie erheblich erschwert. Dennoch ist es im Rahmen des Gesetzes möglich, in Teilbereichen diese Trennung zu unterlaufen. Auf kommunaler Ebene ist es erforderlich, folgende Massnahmen zu ergreifen:
a) Einrichtung von flexiblen, problemorientierten Haushaltstiteln, die es ermöglichen, den Bereich der Prophylaxe durch Mittel der Jugendfürsorge zu speisen.
b) Verstärkter Ausbau von selbstverwalteten Einrichtungen der offenen Jugendarbeit als prophylaktische Massnahme.
c) Einrichtung von selbstverwalteten Beratungsdiensten für
Jugendliche.
Deshalb unsere Forderung:
AUFHEBUNG DER TRENNUNG VON JUGENDPFLEGE UND JUGENDFÜRSORGE, VERSTÄRKUNG DER PROPHYLAKTISCHEN MASSNAHMEN!
5. Es ist bekannt, dass gerade die Kommunen nur sehr beschränkte finanz. Mittel zur Verfügung haben. Es ist deshalb erforderlich, die geringen Mittel nach einer an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierten Prioritätenliste zu verteilen. Bedürfnisse der Bevölkerung heisst primär Bedürfnisse der Unterprivilegierten der Bevölkerung – heisst in einer Kommune Priorität für Kinder, Jugendliche, Alte und soziale Randgruppen (Obdachlose, Gastarbeiter).
Deshalb fordern wir:
OFFENLEGUNG DER PRIORITÄTEN ZUR VERTEILUNG DER FINANZMASSE! ORIENTIERUNG DER PRIORITÄTEN AN DEN BEDÜRFNISSEN DER UNTERPRIVILEGIERTEN DER GESELLSCHAFT!
6. Da eine sinnvolle Politik an Planung gebunden ist, ist es erforderlich, auch auf kommunaler Ebene geplante Jugendpolitik zu betreiben.
Deshalb unsere Forderung:
ERSTELLEN EINES KOMMUNALEN ENTWICKLUNGSPLANES, DER DIE SELBSTVERWALTUNG DER EINRICHTUNGEN UND DIE MITBESTIMMUNG GARANTIERT!