Juz bleibt statisch
von Timo Abel
Im Jahr 2008 begann der Kampf um den Erhalt unseres selbstverwalteten Jugendzentrums in St.Ingbert. Die CDU um den damaligen Oberbürgermeister Georg Jung schaffte es, dem Stadtrat die Entscheidung abzuringen, das Juz müsse von seinem derzeitigen Standort weichen. Unterfüttert wurde die Forderung mit der Lüge, die Räumlichkeiten unseres Jugendzentrums wären essentiell für das Fortbestehen der örtlichen Musikschule.
Dies war nicht der erste Angriff von Seiten der Konservativen auf das JUZ. Bereits Jahre zuvor wurde uns immer wieder vorgeworfen, nur einen Teil der St.Ingberter Jugend anzusprechen. Ein geradezu absurder Vorwurf, wenn man bedenkt, dass die Stadt selbst nullkommagarnix investierte, um Angebote für Jugendliche zu schaffen. Einfach dreist, uns (damals selbst zum Großteil noch im Teenageralter) so etwas vorzuhalten. Ganz abgesehen davon, dass sich das Jugendzentrum St.Ingbert zu einer festen Größe in der saarländischen Jugendkultur entwickelte, unsere Veranstaltungen viele Menschen von nah und fern anzogen, und Internetcafe, Skateramp und Proberäume von einem Großteil der St.Ingberter Jugendlichen unterschiedlichen Alters genutzt wurden.
Wir entgegneten den Vorwürfen mit dem Argument, eine Renovierung könne die Attraktivität der Einrichtung zusätzlich erhöhen. 2002 wurde diesem Vorhaben zwar zugestimmt, doch so weit kam es in all den Jahren nicht. Nachdem wir, wie von der Stadt gefordert, ein Raumkonzept vorlegten, wurden wir mit weiteren Auflagen (wie z.B. regelmäßige Liquiditätsnachweise oder erneute Raumkonzepte) belästigt. Zur Belohnung wurde uns dann die Zivildienststelle gestrichen, also die einzige nennenswerte Investition der Stadt in das Juz. 2008 wurde mit der Renovierung begonnen, diese wurde allerdings nach einer Woche bereits wieder eingestellt. Wir wurden auf einer Baustelle sitzen gelassen und bekamen obendrauf die Kündigung.
Uns wurden zwei Alternativen vorgeschlagen, die an Zynismus kaum zu überbieten sind. Das erste Angebot war ein Gebäude das bereits nach 2 Jahren wieder abgerissen werden sollte, um einem Kreisverkehr zu weichen. Das zweite Gebäude war zu klein, am Stadtrand gelegen, sanierungsbedürftig und diente zu jener Zeit einigen Geflüchteten als Unterkunft. Für uns war von Anfang an klar, dass wir eine solche Kampfansage nicht einfach hinnehmen würden.
Die Stadtverwaltung behauptete, wir könnten nicht „statisch“ auf unseren Standort beharren. Unsere Antwort: Das Juz bleibt statisch!
Wir verstanden es aber, unser Anliegen sichtbar zu machen. Überall in der Stadt tauchten „Juz bleibt statisch“-Aufkleber auf. Es kam zu einem Flashmob mit Wasserbomben und Wasserpistolen in der St.Ingberter Innenstadt, an dem Gerüchten zufolge sogar der Oberbürgermeister teilgenommen haben soll. Nachdem Politiker unser JUZ begutachteten, um die Eignung für die Musikschule zu prüfen, taten wir das gleiche mit ihrem Rathaus.
Wir tauften Georg Jung auf den Namen „Spaten Schorsch“. Diese Bezeichnung etablierte sich schnell unter den St.Ingbertern und in der Lokalpresse.
Durch unsere Proteste wurde die Räumung des JUZ immer weiter verschoben, was letztlich die Behauptung, die Musikschule benötige die Räumlichkeiten für ihr Fortbestehen, als Lüge enttarnte. Je erfolgreicher unser Protest wurde, umso schmutziger wurden die Kampagnen gegen das JUZ. Ein Politiker des CDU Kreisverbandes initiierte gemeinsam mit der Bildzeitung eine Kampagne gegen uns und das AJZ Homburg. Unter der Überschrift „Linksextremisten ködern unsere Jugend“ verbreitete die BILD wie gewohnt Fake News. So wurde ein Aufkleber mit dem Ausspruch „capitalism kills“ zu dem Aufruf „Tötet Kapitalisten“ umgedeutet, in der Hoffnung die St.Ingberter würden kein Englisch verstehen. Die Kampagne sorgte dafür, dass dem Juz zugesagte Unterstützungsgelder des Kreises kurzzeitig eingefroren wurden. Doch zu genau dieser Zeit gewannen wir mit einer Videodokumentation zu unserer „Rathausbegehung“ einen Preis für Demokratie und Toleranz.
Natürlich bekam Georg Jung in seinem Vorhaben Schützenhilfe von NPD und anderen Faschisten. Die NPD begrüßte die Entscheidung des Oberbürgermeisters in mehreren Pressemitteillungen und sah darin eine praktische AntiAntifa-Arbeit, die sie selbst umzusetzen nicht in der Lage gewesen wäre. Immerhin traute sich die rechtsradikale Partei ein Jahrzehnt lang nicht Plakate in St.Ingbert aufzuhängen, wo sich (auch dank unserer Aufklärungs- und Bildungsarbeit) eine antifaschistische Kultur etabliert hat. Zuvor demonstrierten bereits „Freie Kameradschaften“ unter dem Motto „Dem antideutschen Spuk ein Ende bereiten“ gegen unser Juz. Genützt hat das alles nix. Wir schafften es mit der notwendigen Hartnäckigkeit und einer gewissen Prise Kreativität, nicht nur unsere Räumlichkeiten zu erhalten, sondern bereits 2007 die Schließung des Neonaziladens „Strangeland“ zu erreichen. Der Laden war gerade mal einen Steinwurf vom JUZ entfernt und die regelmäßigen antifaschistischen Proteste, sowie die Ächtung faschistischer Kleidung auf der Straße, sorgten für massive Umsatzeinbußen.
Das Beispiel St.Ingbert zeigt deutlich, dass der Kampf um unkommerzielle und selbstverwaltete Räume für Jugendliche und das Zurückdrängen faschistischer Strukturen Hand in Hand gehen. Wir leben in einer Zeit des zunehmenden gesellschaftlichen Rechtsrucks, in der immer mehr linke Freiräume bundesweit in ihrer Existenz bedroht sind. Selbst wer noch nie einen Fuß in ein Jugendzentrum gesetzt hat, sollte verstehen, dass mit jedem selbstverwalteten Raum, der uns genommen wird, für uns alle das Potential verringert wird, uns frei zu entfalten. Nur wenn wir uns untereinander austauschen, voneinander lernen, uns solidarisch verhalten und bei Ungerechtigkeiten intervenieren (auch wenn wir selbst nicht betroffen sind), können wir verhindern, von den Geschehnissen überrollt zu werden.
In diesem Sinne: DAS JUZ BLEIBT STATISCH!