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Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V.

You´ll never walk alone!

von Marcel/Hamburg

Ich bin damals, um 1993 in den Sommerferien aus Lörrach nach St Ingbert gezogen  wegen eines beruflichen Wechsels meines Vaters. In Freiburg war ich 1992 im Crash beim Konzert von Agnostic Front, hatte dadurch mein Herz für Hardcore und Punkrock entdeckt und viele Freunde in der Szene. Und dann der Umzug nach St. Ingbert …😐… ich kannte kein Schwein. Bin dann auf Erkundungstour gegangen in St. Ingbert, angetan mit meinem coolen ‚Destroy fascism‘ Shirt, um gleich mal Farbe zu bekennen und Gleichgesinnte kennenzulernen. Naja Pustekuchen! Die ersten, denen ich da in die Arme gelaufen bin, waren nicht die, die ich erhofft hatte… Am Bahnhof in St. Ingbert gabs die Kneipe „Das Spinnrädchen“, das ein Treffpunkt der rechtsradikalen Szene im Saarland war. Und da standen lauter Skinheads – nicht normale -, sondern richtig üble Naziskins. Zum Glück konnte ich noch schnell die Kurve kratzen! Bin erstmal nach Hause und dachte „Ach du Scheiße, wo bistn hier gelandet!“.

Dann bin ich mit dem Zug nach Saarbrücken gefahren, da sah die Welt schon anders aus. Aber naja, ich wohnte halt in St. Ingbert … Eines Tages fiel ich aus allen Wolken: plötzlich tauchten in St. Ingbert Plakate auf: Molotow Soda sollten im Juz St. Ingbert in der Pfarrgasse 49 spielen! Ganz klar: da MUSSTE ich hin! Und was ich da gesehen habe, werde ich nie vergessen: der ganze Parkplatz war voller Punks und Hunde, und es war einfach nur herrlich: ich war geheilt! Und das war ein wildes Konzert, ein schöner Abend , ich hab viele Leute kennengelernt, mit vielen hab ich heute noch Kontakt, und es war halt großartig! Seitdem hab ich dann im Juz St. Ingbert einen Fuß in die Tür bekommen und hatte irgendwann auch einen Schlüssel, konnte das Juz aufmachen nach der Schule und auch Konzerte organisieren. Das hab ich auch mit Liebe gemacht und auch dort tolle Leute kennengelernt, mit denen ich heute noch Kontakt hab. Man trifft sich in Hamburg und so.

Das Juz St. Ingbert hatte ja unten auch Proberäume, das waren auch nochmal richtige Freiräume: ich kann mich gut erinnern an die Proberäume von den „Rottens“, so hießen sie damals, und später „Conspirators“. Und wir hatten uns dann – da gabs noch eine kleine Lücke, einen kleinen Gang neben der Treppe unten – ne Mauer hochziehen und eine Tür einbauen lassen, um einen weiteren Proberaum für unsere Punkband zu ergattern. Mousse, Mutschi, Tim und ich nannten uns „The dying Monchichis“. Aber eigentlich wollten wir nur nen Schlüssel für irgend nen Proberaum. „The dying Monchichis“ haben ordentlich gescheppert, unser Name war jedenfalls der Beste, die Musik mehr so mittel … Ich hatte Bass und Bassverstärker von Frank abgekauft & war stolz wie Bolle. Ich dachte „4 Saiten, damit komm ich klar, damit krieg ich Punkrock hin!“ Aber naja, aus der Punkrockerkarriere wurde dann doch nix – ich bin dann halt doch zur Post gegangen & bin heute Paketbote bei DHL auf St. Pauli 😉. Die Proberäume unten trotzdem: herrlich! Wenn man erstmal den Schlüssel für den Keller hatte, konnte man wichtig sein 😉 Es war einfach ne schöne freie Zeit. Ich möchte heute echt kein Jugendlicher mehr sein.

AJZ Homburg

Aber irgendwann hab ich dann das Autonome Zentrum in Homburg am Güterbahnhof kennengelernt & das war natürlich eine ganz andere Richtung, frei von jeder Spießigkeit! Das war meine Welt, das hat mich bis heute geprägt. Diese wilden Konzerte, als diese ganzen Amibands kamen & da spielen wollten. Man hat da Sheer Terror aus New York gesehen, Yuppicide und andere. Sehr gut fand ich die politische Einstellung: manche Bandanfragen wurden abgelehnt, wenn die Bands seltsame politische Einstellungen hatten, wie z.B. die Band War Zone. Denen hat man abgesagt und sich lieber Geld entgehen lassen, als seine Seele zu verkaufen. Dasselbe mit solchen Poserbands wie Biohazard, die dann auf MTV liefen: „Och nö, lass mal 😉“. Diese Grundeinstellung „Scheiß auf Geld, wir machen unser Ding“ fand ich cool, das hat mich bis heute geprägt. Ich könnte noch so viele Geschichten erzählen! Das Autonome Zentrum in Homburg am Güterbahnhof war für mich das allerallerallergeilste und schönste! Das Juz St. Ingbert war zwar auch selbstverwaltet, aber naja, es war halt anders… Ich hab da schon oft einen auf den Deckel bekommen, wenn ich da Konzert gemacht hatte, weil die Kasse nicht 100% stimmte – wenn mehr Bier rausgegeben als bezahlt wurde – aber hey, die Leute hatten ihren Spaß auf dem Konzert, und das war ja die Hauptsache! Auf jeden Fall, bis heute haben mich diese Zeiten sehr geprägt und ich denke immer noch sehr gerne an diese wunderbare schöne Zeit. V.a. ans Autonome Zentrum Homburg. Ich glaub, das war eine alte Bäckerei. Vorm AJZ war viel Platz, und es gab außen eine Laderampe. Auf dem Weg vom Bahnhof zum AJZ kam man immer an Fischlastern vorbei, manchmal sind die Fische da auch rausgefallen, die wir dann durch die Gegend geschossen haben. Bei den Konzerten wars teilweise so voll, dass der Schweiß von der Decke tropfte. Obwohl sich kein Mensch an irgendwelche Auflagen gehalten hat und es auch keine Notausgänge gab, ist zum Glück nie was passiert. Putzen nach Konzerten und Partys war nicht unser Hobby… Es war ein schöner, anständiger, ranziger Laden. Bei Konzerten wurde immer wild getanzt – ich hatte oft blaue Flecken an Körper und Gesicht vom wilden Pogo – meine Eltern dachten, ich sei verprügelt worden, aber ich war nur auf nem Konzert im AJZ und glücklich! Die ganzen Freiheiten, supergut! Ich erinnere mich an ein Konzert der Fliehenden Stürme, die nach dem Gig einfach mitten in der Nacht nochmal anfingen zu spielen – sowas ging und war großartig. Wenn mal nicht genug Einnahmen bei Konzerten waren, um die Bands zu bezahlen, haben wir das aus eigener Tasche getan. Geld spielte keine Rolle – wichtiger war, dass wir eine gute Zeit hatten und alle glücklich waren! Diese Zeit hat mich sehr geprägt.

Wichtig war für mich auch, dass man sowohl im Juz St. Ingbert als auch im AJZ diesen Rückzugort hatte, ein selbstverwaltetes Ding, wo du halt deine Sachen machen konntest. Das war schön, auch der Zusammenhalt auch mit den anderen Zentren, P-Werk und Juz Limbach. Dass man als Jugendlicher mit ner bestimmten Einstellung da 1000 Freunde treffen konnte & so sein konnte wie man wollte, ohne dadurch Stress zu haben.