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Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V.

Demokratie bleibt Handarbeit

von Max Glaser

Von drinnen schallen die ersten Klänge alter Ponyfarmsongs nach draußen. Kippen werden ausgedrückt, alle wollen das erleben, was jetzt kommt. Die Feier zum zwanzigsten Jahrestag des JUZ in Neunkirchen ist eine kleine Reise zurück in der Zeit. Ein Satz, der an diesem Abend oft fallen wird, ist, dass „es alles genau so ist wie damals“. Ich musste viel über diesen Satz nachdenken, denn in den letzten 20 Jahren hat sich so einiges verändert. 

Einige der alten Weggefährten sind nah an dem, wie ich sie in Erinnerung behalten habe, während andere sich – zumindest äußerlich – komplett verändert haben. In vielen Gesprächen klingen in Zwischentönen Haltungen durch, die so auch vor 15 Jahren geäußert wurden. Manche noch so grob wie damals, andere feingeschliffen und ausdifferenziert. Im Abgleich mit meinem fünfzehnjährigen Ich stelle ich das recht ähnlich fest. Der rot gefärbte Iro und die nietenbesetzte Punkeruniform sind einem bürgerlicheren Erscheinungsbild gewichen. Gleichzeitig sind Überlegungen, Überzeugungen und Gedanken, mit denen ich in dieser Zeit in Berührung gekommen bin, gewachsen. Was ich früher unbedingt nach außen zeigen wollte, hat sich im Laufe der Jahre mehr im Inneren weiterentwickelt.

Das JUZ war ein Ort, der mich, im Gegensatz zu vielen anderen Orten meiner damaligen Lebensrealität, immer so aufgenommen hat, wie ich war. Ein Ort, an dem nicht gesagt wurde, dass man etwas nicht machen könne, sondern an dem gesagt wurde, man solle seine Ideen einbringen, sie mit anderen diskutieren und dann umsetzen. Es war ein Ort, zu dem Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen kamen. Aus Hedonismus und Freiheitsgeist, weil man sich dort freier ausleben konnte als anderswo. Aus Überzeugung, weil man dort andere Überzeugte finden konnte. Sicher auch aus Mangel an alternativen Alternativen in der Stadt zum Leben. In jedem Fall aber, weil es immer ein Ort des Miteinanders war. Von manchen Überzeugungen und Ideen von damals habe ich mich verabschiedet, andere haben sich ins Erwachsenenleben transponiert: Die Überzeugung und Begeisterung für direkte Demokratie, für DIY, für Haltung zeigen und für das Verteidigen von solidarischem Miteinander. Die Erfahrungen von damals inspirieren viel von dem, was ich heute tue. Ob es der Klassenrat mit meinen Schüler*innen ist, das zivilgesellschaftliche Engagement für Sachen, die mir wichtig sind, oder einfach Dinge für meine Tochter selber zu bauen, statt sie zu kaufen.

Orte wie das JUZ sind wichtig! Es sind Orte, an denen junge Menschen mit basisdemokratischen Prinzipien und Prozessen in Berührung kommen und Partizipation erfahren können. Es sind Orte, an denen sie Selbstwirksamkeit erfahren, wenn sie ihre Idee auf einer Versammlung vorschlagen können und gemeinsam mit Gleichaltrigen ausdiskutieren und umsetzen können. Aber sie sind nicht selbstverständlich: Als das JUZ vor zwanzig Jahren in Neunkirchen eröffnete, hatten bei der zurückliegenden Bundestagswahl in Neunkirchen knapp 60 Prozent der Neunkircher*innen für progressive Parteien gestimmt. Die NPD lag 2005 bei unter zwei Prozent. Bei der aktuellen Bundestagswahl steht die AfD mit über 28 Prozent auf dem ersten Platz und erreicht in Neunkirchen Werte deutlich über dem Bundesschnitt. 

Der rechte Hebel setzt bei dem Gefühl an, dass Menschen sich in Ihren Sorgen und Ängsten nicht gesehen und allein gelassen fühlen. Er setzt an bei dem Gefühl, keine Handhabe und Selbstwirksamkeit im gesellschaftlichen und politischen Aushandlungsprozess zu haben. Hier stellt sich auch eine Systemfrage – nämlich die nach der grundsätzlichen Leistungsfähigkeit demokratischer Systeme. Jugendzentren sind deshalb wichtig, weil sie demokratische Keimzellen sind, die dem entgegenwirken können. Sie sind Orte, die Menschen in ihrer Komplexität einen Raum geben können. Um sich auszuleben, sich auszuprobieren, sich einzubringen. Sie bilden, in Zeiten, in denen sich die Gesellschaft ins Private zurückzieht, einen Gegenentwurf, weil sie Zellen der Vernetzung und der Solidarität sind. Aber sie sind, mit Blick auf den sich verändernden Zeitgeist, fragil. Weil sie davon abhängig sind, dass es auch in Zukunft Menschen gibt die sich dort einbringen und die diese Orte weiterhin für wichtig und schützenswert halten. Orte wie das JUZ Neunkirchen müssen bleiben. Lasst uns dafür gemeinsam Sorge tragen – Demokratie bleibt Handarbeit!