Gedanken beim Betrachten alter Fotos - oder sowas wie GESCHICHTE
von Patrik Becker, Merzig
aus Nachrichten Okt. 1984
Folgender Text beschreibt schön das Auf und Ab in der Jugendzentrumsarbeit, die Lust und den Frust beim Engagement mit einem melancholischen Statement zum Weitermachen.
Seit Ende 1979 habe ich mit dem JUZ Merzig zu tun. Damals war das JUZ nur mehr Gebäude. Einige wenige alte JUZ “ler hielten es noch instand. Ein Modellbauclub und ein Science-Fiction Club, dem auch ich angehörte, nutzten ein paar Räume. Zum Science-Fiction-Club kamen immer mehr Leute, die sich reichlich wenig für Science-Fiction interessierten und wohl eher durch die Möglichkeit in eigenen Räumen selbst etwas
zu machen, angelockt wurden.
Als die Stadt dann das Gebäude abreißen wollte – ich bin noch im Jahr 1980 – machten wir den Schritt zur Gründung bzw. Neugründung das JUZ! Fast aus dem Stand hatten wir 80 Mitglieder! Der Kampf gegen den Abriß brachte uns zusammen. Unterschriftensammlungen, Flugblätter, jede Menge Leserbriefe und andere Presse waren unsere konkreten Gegenmaßnahmen. Parallel dazu entwickeltes sich schnell ein regelrechtes JUZ-Leben. Arbeitsgemeinschaften, Feiern, Ausflüge, Konzerte und viele andere Aktionen hielten uns auf Trab. Kaum ein Abend, wo im JUZ nicht etwas los war. Selbst das Aufräumen war weniger Arbeit als vielmehr Gaudi.
Eine zeitlang jedenfalls. Später flaute alles ein wenig ab, Routine kam auf. Wir kämpften weiter um unser JUZ, doch langsam wurden wir müder. Die Hinhalteexperten der Verwaltung waren am Werk und keiner von uns war Politprofi.
Ich sollte vielleicht kurz sagen, wer „wir“ waren. „Wir“ waren mit wenigen Ausnahmen Gymnasiasten/innen eines Jahrgangs. Bald kamen auch Nicht-Gymnasiasten/ innen dazu. Doch im Großen und Ganzen blieben wir leider unter uns. Entsprechende Debatten über Cliquenbildung und was dagegen zu tun sei blieben ohne besonderen Erfolg. Langsam wurde es dürftiger im JUZ. Das Abftur rückte näher und die Perspektive ging
langsam flöten (1982). Einbrüche, Schulden und immer mehr Dreck und Siff nahmen oft auch dem Geduldigsten die Lust ins JUZ zu gehen …
Kommt, wir gehen ins Saggi! Auch Nicht-Merzigern verstehen sofort: Saggi ist `ne Kneipe. Juli 82 gab es noch einen glanzvollen Abschluß: die Soiree Fantastique 2. Ein wirklich großartiger Variete-Abend, an dem sich fast alles JUZ`ler und viele andere, die sich sonst nie dort blicken ließen, beteiligt hatten.
Die Soiree-Proben hatten nahezu alle Kräfte geschluckt; das JUZ verfiel zusehends. Dann ging es schnell: Studium, Zivildienst und Bund zerstreuten die JUZler In alle Himmelsrichtungken. Eine Handvoll Leute blieb übrig. Ich selbst machte meinen Zivildienst in Merzig. Wir versuchten, das JUZ auf Sparflamme weiterzuführen, aber seitdem die Leute weg waren, ging fast nichts mehr. Von der Stadt bekamen wir Anfang 83 ein neues Gebäude. Das war ein reiner Gnadenakt; von Kampf um einen Platz für das JUZ konnte schon lange keine Rede mehr sein. Daß überhaupt beim Umzug genug Leute da waren, um zu helfen, grenzt an ein Wunder.
Des alte JUZ wurde abgerissen. Ein modernes „Dienstleistungszentrum“ wird an seine Stelle geplotzt. Nun hatten wir neue Räume, die aber noch renoviert und eingerichtet werden mußten. Doch das neus JUZ schlief wie Dornröschen, bis im Sommer der Prinz kam und es küßte. Neue Leute, die vorher nie etwas mit Jugendzentren zu tun hatten, kamen, sahen und renovierten das Gebäude. Toll, nun ist ja alles in Butter. Neues JUZ, neue Leute, neues Glück !
So etwa die Grundstimmung. War aber nicht. Nach dem lustigen Malen und Basteln war der Alltag doch recht nüchtern. Putzen und Aufräumen war da nicht jedermanns Geschmack (mit jederfrau möchte ich da gar nicht erst anfangen). Was in der Sommereuphorie unter den Tisch gekehrt wurde, kam jetzt zum vorschein. Es gab Streit, persönlichen und in Bezug auf das JUZ. Die Flemm ging um und wir wurden wieder weniger. Nicht, daß bei uns nichts lief. Feiern, Auftritte, Thekendienst – das alles läuft in bescheidenem Rahmen. Doch das ist nicht das, was es sein könnte.
Nun ja, so schauts aus ! ! !
Und da sind die alten Photos, 1974. Junge Menschen – keinen davon kenn ich – montieren Holzplatten zu Raumteilern zusammen. Das alles im Clubraum des alten Gebäudes. Die damalige Ausgestaltung scheint viel üppiger gewesen zu sein als zu meiner Zeit. Bei den Photos liegt eine Rechnung über 3000 DM! Für Holzplatten und zwei Entwürfe zur Gestaltung des Clubraumes. Die Küche scheint damals noch durch eins Mauer vom Hauptraum getrennt gewesen zu sein. Von all dem sind nur Reste übriggeblieben. Zwischen diesen Bildern und meinen ersten JUZ-Erfahrungen liegen 6 Jahre. Aus dieser Zeit gibt es nur wenig, was ich mit dem JUZ verbinde: das verrufene Image, das
heruntergekommene Gebäude, im JUZ wird Diebesgut entdeckt: großes Geschrei, das JUZ wird geschlossen. Debatten meiner Eltern darüber. Ich selbst war da wohl noch ein bißchen jung. Das JUZ wurde Anfang der 70 er Jahre gegründet. Nicht als Jugendzentrum Merzig, sondern als „Arbeitsgemeinschaft Gruppenpädagogik“. Es gab damals starke Initiativen im sozialen Bereich: arbeitslose Jugendliche, Alkoholiker, Behinderte. Es gab große Spannungen deswegen.
Soviel vom Hörensagen. Anhand alter Plakate sah ich, was damals noch so lief: Filme, Konzerte, Aktionen jeder Art und nicht zu knapp. Vielleicht täuscht das auch und der Glanz fällt auf die Vergangenheit zurück. Ich frag mich, was mit all der Arbeit und der Liebe geschehen ist. Verloren, zerstört, versifft, demontiert.
Das soll schon alles sein?
Und immer wieder neue Arbeit, neues Engagement.
War der Sinn all dessen, daß das JUZ weiter existiert:
THE JUZ MUST G0 ON ! ! !
Damit ein paar Leute im JUZ ihren Spaß haben und vieleicht lernen, ein wenig besser miteinander umzugehen. Solange ich es nicht besser weiß, will ich es so halten !