"Wir hatten eine verdammt gute Zeit"
Kathrin Prams war bei der Gründung des Juz Illingen 2.0 1995 dabei und berichtet nun, fast 30 Jahre später, von ihren Erfahrungen. Wir haben aber auch einen Text von ihr zum dreijährigen Bestehen des Juz gefunden, der die Stimmung in der Anfangsphase beschreibt.
„Füße vom Tisch“ gab es bei den Vollversammlungen im Juz Illingen nicht.
Von Kathrin Prams. 20.06.2024
1995 war die Gründung des neues JUZ Illingen. Interessant hier auf der Seite zu lesen, wann es das erste JUZ in Illingen gab. Schon damals war es wohl nicht so leicht Räumlichkeiten zu bekommen, zumindest wurde uns dies im Gemeinderat in Illingen 1995 so gesagt. Das damalige JUZ, war wohl, so deren Aussage “ein ganz schlimmes JUZ”. Was da wohl alles vorgefallen war – immer diese schrecklichen jungen Leute!
Ob wir aus deren Sicht im Nachhinein “besser” waren, wohl kaum… Auf jeden Fall haben wir lange, sehr lange für die neuen Räumlichkeiten im ehemaligen Polizeigebäude (ja, es gab auch zwei Zellen) kämpfen müssen. Ich weiß nicht mehr in wie vielen Gemeinderatssitzungen wir vorsprechen mussten. Zumindest lernt man dort, wie Kommunalpolitik funktioniert und dass es sich auszahlt hartnäckig zu bleiben!
Wir hatten eine verdammt gute Zeit! Wir haben viel getan und gelernt: Selbstorganisation, Einsatz für Andere, Demokratie, Putzen…, Einkaufen, Konzerte organisieren und durchführen, Meinungsaustausch und Streitkultur, uns in der Gemeinde einsetzen, soziales Engagement und bei Aktionen dort mitmachen, für die Rechte von Jugendlichen in all ihrer Vielfalt kämpfen u.s.w.
Es gab zu den Anfangszeiten viele AG´s, wir haben zahlreiche Aktionen durgeführt, Hauptschwerpunkte waren jedoch Konzerte und Partys. Zweimal war Serdar Somuncu bei seiner Tourneereise mit politischem Kabarett und szenischen Lesungen ausgewählter Textstellen aus Hitlers Buch Mein Kampf bei uns. Da blieb einem schon manchmal der Atem weg, im Gedenken, an all die Menschen, die den wahnsinnigen Gräueltaten zum Opfer fielen. Was für ein Irrsinn im nationalsozialistischen Deutschland! Leider ist das Thema heute wieder aktueller denn jeh und Nie wieder ist jetzt!
Unser JUZ war und ist immer bunt gewesen, jede*r durfte und darf so sein wie er*sie ist und möchte. Das hat unser JUZ immer ausgezeichnet. Wir waren damals ein bunter verrückter Haufen, es war eine unvergessene Zeit!
Vor allem aber hatten wir mega Spaß! Gut, dass es damals noch keine digitalen Fotos gab… mehr will ich dazu nicht sagen . Zumindest wussten unsere Eltern immer, wo wir waren und das war auch in Ordnung so.
Das JUZ gibt es heute noch, mittlerweile im ehemaligen Postgebäude, ob es dort auch Zellen gibt, weiß ich nicht…
Kathrin Prams Artikel aus der Dokumentation zum dreijährigen Bestehen des Juz:
Eigentlich fing alles an, als ein sog. Herr Georg Vogel (?) Illinger Jugendliche in „de Hoppel“ einlud um eine Initiative zu gründen. Zweck dieser Initiative sollte sein, ein Illinger Jugendzentrum entstehen zu lassen. Wer dieser Georg war, was der mit Illingen zu tun hatte und wieso überhaupt das mit dem Treffen, war mir bis dahin nicht ganz klar. Einige Freunde wie „de Turtle“ und Dennis wollten sich das mal anschauen, und da ich sowieso abends in „de Hoppel“ gegangen wäre, bin ich dann mal mit. Die Fragen, beantworteten sich dann schnell im laufe des nachmittags. Etwa 30 Jugendliche waren gekommen, die eigentlich alle mehr oder weniger ein Bedürfnis hatten sich unkonventionell treffen zu können, bzw. einen Raum zu schaffen, der warm war und wo man vor allem seine Ruhe haben konnte. Also die Bedürfnislage war klar, „mir brauchte eh Jugendtreff“.
Aus dieser Gründungsversammlung kristallisierte sich ein Sprecherrat heraus, dem ich natürlich gleich angehörte, denn ich war nach der Erklärung von dem „Georg“, was man denn machen könnte, echt begeistert. Ab diesem Zeitpunkt traf sich der Rat ein mal wöchentlich. Erste wichtige Diskussionspunkte waren Dinge wie Standort des JUZ, Name des JUZ und vor allem, – wie machen wir den „netten“ Politikern klar, daß die Illinger Jugend eine Treffmöglichkeit braucht. Punkt eins war ziemlich leicht, als geeigneter Raum schien uns damals der nun schon ehemalige Schuppen des Bahnhofs zu sein, somit stand zumindest auch der Name fest: „Initiative Jugendbahnhof“. Der wichtigste Punkt, wie bekommen wir das JUZ sollte uns von nun an noch ein weiteres Jahr begleiten. Es begann eine „schwere“ Zeit in der jeder von uns uns starke Nerven und einen ausgeprägten Kampfgeist beweisen mußte. Keine Gemeinderatssitzung wurde ausgelassen, in der wir – besonders unser neuer „Freund“ Georg – unermüdlich unser Anliegen vortrugen. In der Zeit des Wartens machten wir z.B. ein Fest am Bahnhof, das vor allem dazu diente, uns, d.h. alle HelferInnen etwas gutes zu tun, das zarte Gruppengefühl zu stärken und vor allem den Bürgern zu zeigen, dass es uns gab.
Dann kam der Schock, der Schuppen wurde abgerissen. Eine weitere Phase der Gemeinderatsssitzungen begann. Bis wir endlich das ehemalige Polizeigebäude als zukünftiger Treffpunkt zugeteilt bekamen. „Polizeigebäude, do gibt’s bestimmt noch Zelle“, war das erste was uns einfiel. Die gab´s auch und dazu noch viele Räume in denen wir uns ein JUZ zu mindestens ansatzweise vorstellen konnten, denn von dem, wie WIR uns ein JUZ wirklich vorstellten, was es noch weit entfernt. Das Gebäude hätte auch ein ehemaliges Krankenhaus sein können, alles steril weiß und einfach „ätzend“. Naja auf jeden Fall hatte wir mehrere Räume zu unserer Verfügung. Der alte Sprecherrat bildete den neuen Vorstand und Georg gründete damit einhergehend einen Förderkreis der nur aus „Alde“ bestand und noch besteht. Davon war ein Mitglied, in unserem Fall Georg, gleichzeitig Vertreter im Vorstand des JUZ, der damalige Kassierer war „de Turtle“, die Vorsizende war „ess Nadja Flamann“ und Kristin Dörr, Kerstin Püschel, Dennis Bohr, Tobias Edel und ich waren Beisitzer.
An dieser Stelle möchte ich diesen Leuten, die leider nicht mehr dabei sind recht herzlich für ihre tolIe Arbeit danken. Ein besonderer Dank richte ich vor allem an Nadja die uns zwei Jahre begleitet hat und der das JUZ sehr viel zu verdanken hat. Die erste Amtshandlung des Vorstands war es, eine Renovierungsaktion zu organisieren, denn erstens brauchte das zukünftige JUZ: kräftig Farbe und zweitens sollten ja mehr Leute ins JUZ kommen als der Vorstand. Die Aktion war ein voller Erfolg Tausende Jugendliche
kamen. Naja fast, „off jede Fall eh Menge“.
Und das ist heute fast Jahre später eine der echt schönen Erinnerungen, weil da jeder mit half, etwas „sau Guddes“ entstehen zulassen. Ja und seit dieser Zeit ist das JUZ für mich und ich wage zu behaupten auch für manche andere so etwas wie ein zweites zu Hause geworden und es ist so ähnlich wie eine kleine Familie. Ich glaube, von jedem von unseren Müttern steht der halbe Haushalt im JUZ, weil man mal bei der oder jener Veranstaltung, wie z.B. Weihnachtsmarkt oder Konzertveranstaltungen das eine oder andere Material noch „off de letschde Drigga“ brauchte. Wenn meine Mutter was sucht, ist es mittlerweile schon so, dass sie zu mir sagt: „Bringschde die Woch, wenn de ins JUZ gehschd, da eh mo mit?“. Aber ein Vorteil hat das Ganze auch für meine Mutter, sie weiß immer wo ich bin.
Also für mich ist das JUZ etwas ganz Besonderes, in dem ich neue Leute kennengelernt habe, vor allem ganz unterschiedliche Leute, die ich wie auch das JUZ selbst nie wieder missen möchte. Dies liegt aber vor allem daran, daß ich selbst mit den anderen soooolange um das JUZ kämpfen mußte und mit dem JUZ so viele Erinnerungen verbinde. Deshalb (an alle User) möge man mir bitte verzeihen, wenn ich manche Dinge die das JUZ betreffen vielleicht etwas zu eng sehe.
Konzert im Juz
Typisches Gedränge auf dem Juz-Flur