Die Wüste rockt
Das Juz Heusweiler startete 1972 als eines der ersten im Saarland. Es begann ein Kampf um Räume und Anerkennung. Es war aber auch die Geburtstunde einer lebendigen regionalen Konzert- und Bandszene. Horst Sander erzählt uns die Geschichte im Interview.
Rainer Ziebold (gest. 2021, Bürgermeister der Gemeinde Heusweiler von 2002 bis 2010) und Horst Sander im ersten Juz 1972
Ihr habt eines der ersten Jugendzentren im Saarland gegründet. Wie kamt ihr denn auf die Idee?
Für uns Jungen war das damals hier in Heusweiler Wüste, eine Jugendwüste. Außer irgendwo rumlungern, wo man dann auch noch weggeschickt wurde, gab es nichts außer den traditionellen Vereinen, worauf nun nicht jeder Bock hatte. Und natürlich war das erste damals, man hat sich in den kirchlichen Organisationen organisiert. Viele von der ersten Juz-Generation kamen aus der evangelischen Jugend. Da wollten wir irgendwann einen Disco-Abend machen. Da hat der Pfarrer gesagt, nee, das ist ein Raum zum Beten, zum Beten können wir kommen. Da haben wir gesagt, okay, dann kann der uns mal kreuzweise. Sehr schnell noch während der Gründung zogen dann Teile der katholischen Jugend nach. Wir sind dann dorthin abgewandert, wo wir eigentlich nicht hin wollten, in die Diskotheken. Da haben wir natürlich Probleme gekriegt. Die, die jünger als 16 waren, die haben wir reingeschleust. Wenn die erwischt wurden, wurden die rausgeschmissen. Und uns hat man meistens eine Stunde später auch rausgeschmissen, weil man nur das Geld für eine Cola hatte. Da war auch noch eine andere Sache mit den Diskotheken. Nicht nur, dass wir da rausgeschmissen wurden, sondern man hat dort Schlager gespielt und englischsprachige Sachen, die für uns auch Schlager waren. Aber wir wollten Hendrix, Queen, Stones und The Who, hören. Und dann kam ja auch so ganz allmählich der Hard Rock auf. Nazareth, Deep Purple, Black Sabbath, und was es sonst noch gab. Das wollte man hören. Und gerade die Musik hat eine ganz massive, ganz fundamentale Rolle für uns gespielt, weil man die nirgendwo hören konnte und nirgendwo präsentiert bekam. Und der Rainer Ziebold der hat dann irgendwann erzählt, er hätte da gelesen, es gibt Jugendzentren und die sind sogar selbst verwaltet. Und bei der Idee mit dem Jugendzentrum haben wir uns gesagt, da können wir selbst bestimmen, was wir hören. Das war fundamental wichtig.
Da haben wir uns zusammengeschlossen und haben uns zuerst mal überlegt, was muss man da machen? Der Rainer Ziebold war damals schon politisch organisiert bei den Jusos. Der hat dann gesagt, er schwätzt mal mit dem Bürgermeister. Das war damals der Quirin, das war ein SPDler. Mit einem CDUler wären wir wahrscheinlich nicht so schnell durchgekommen. Dann kam es im August 1972 zu einer ersten öffentlichen Versammlung und da hat man uns dann die Unterstützung zugesagt.
Erste Gehversuche in der Grundschule Dilsburg
Und dann hat man uns den Kellerraum in der Grundschule Heusweiler-Dilsburg gegeben. Da durften wir uns einrichten. Das war im November 1972. Wir haben den Raum schnell hergerichtet und am 4.11.1972 Eröffnung gefeiert. Und dann haben wir mit dem Betrieb vom Jugendzentrum angefangen. Wir hatten ja keine Erfahrung, wie man sowas organisiert. Da ist natürlich auch einiges schiefgegangen. Aber wir haben es selbst organisiert. Und es war für alle offen, und jeder konnte so lange bleiben, wie er Lust und Laune hatte oder er halt durfte, von den Eltern her. Die erste Musikanlage haben wir uns ganz abenteuerlich zusammengeschraubt. Mit einem alten Volksempfänger, der wurde hinten angezapft und da wurde ein Schallplattenspieler angeschlossen, der „Mister Hit“. Damit haben wir dann losgelegt. Und dann war die Bude immer voll. So 60, 70 Leute gingen da rein, das war ein großer Keller. Da war richtig was los. Später im alltäglichen Betrieb gab es auch schon mal Abende, wo man unter sich blieb, also nur die Kerngruppe da war, so 10 bis 15 Leute.
Der Verein wurde erst Anfang 73 gegründet. Zuerst haben wir ein Organisationsstatut entwickelt und hatten dann den ersten richtig gewählten Vorstand durch die Vollversammlung. Bei der ersten Vollversammlung war die Bude brechend voll. Das waren schätzungsweise 80 Leute, die haben die Treppe hoch bis draußen gestanden. Wir waren da richtig erstaunt und stolz darauf, dass so viele Leute unser Juz angenommen haben. Man kann sich das dadurch erklären, dass es in der ganzen Gegend für Jugendliche nichts gab. Man sieht das auch an den Mitgliedern, wo die herkamen. Die kamen aus Riegelsberg, aus Köllerbach, sogar bis Reisbach. Schwarzenholz. Da war ja auch überall Wüste.
Probe der Juz-Band 1972 im Juz
Gerüchte und Gerede
Es gab natürlich sofort Konflikte um Lärm und vor allem Gerüchte. Das Juz sei eine Haschhöhle und ein Puff. Bei den älteren Leuten ist deren Fantasie durchgegangen. Im Juz gäbe es Sex-Parties, die jungen Leute würden da Sex-Orgien feiern und andere Sachen.
Wir haben im Juz natürlich auch Mädchen kennengelernt. Im Gegensatz zur katholischen Jugend zum Beispiel, die Mädchen treffen sich dienstags, die Jungs donnerstags, war das bei uns möglich. Und da hat man sich dann halt auch schon mal verliebt. Das einzige, was da war, war, dass die verliebten Pärchen hinten auf der Couch gesessen haben, und dann haben die sich da Küsschen gegeben. Viel mehr war, da nicht. Aber das hat dann natürlich in Heusweiler schnell die Runde gemacht und wir waren da doch ganz schön verrufen. Das war sehr unangenehm.
Ich kann mich noch an eine Szene erinnern, das war die schlimmste, das habe ich bis heute nicht vergessen. Ich bin mit dem Rainer zusammen ins Jugendzentrum gegangen. Da haben uns zwei Alte auf der Straße gestellt und haben uns angegiftet, wie man denn aussehen würde, die langen Haare, sie hätten gehört, Orgien würden gefeiert, wir seien menschlicher Abfall und so weiter. Und die sind sogar handgreiflich geworden. Und dann haben beide gesagt: „Also beim Adolf wärd ihr schon durch den Schornstein“.
Und das hat uns dann dazu bewogen, später Veranstaltungen zu machen unter dem Motto: „Nazis – gibt es die überhaupt noch“. Das wurde ja totgeschwiegen. Und da haben wir versucht, den Leuten klarzumachen, dass die Gesellschaft noch von Nazis durchdrungen ist. Wie man heute aus Berichten weiß, hat bestimmt die Hälfte der Regierung noch aus Alt-Nazis bestanden. Wir haben uns einfach selbst informiert und haben dann Veranstaltung gemacht. Später gab’s sogar einen Film, der hieß „Nazis, gibt’s die noch.“ Den Film haben wir dann auch gezeigt mit Diskussionsabend. Wir haben nicht permanent solche Veranstaltungen gemacht, aber hin und wieder, wenn wir gedacht haben, es ist mal wieder notwendig, die Leute politisch aufzuklären. Das war halt Teil unserer Angebote im Juz.
Projektgruppen und Kappelsberg-Fete
Im Jugendzentrum gab es auch von Anfang an die Projektgruppen. Also zumindest unter den Möglichkeiten, die wir in dem einen Kellerraum hatten. Es gab die Projektgruppe Musik mit der Juz-Band, bei der ich von Anfang an dabei war, die Film-Gruppe, die hat unten immer die Leinwand aufgestellt und Filme gezeigt. Die Filme kamen aus dem Portfolio der Kreisbildstelle, da kam auch der Projektor her. Und es gab die Disco-Gruppe und eine Projektgruppe für ein neues Juz, weil wir von vornherein gesagt haben, der Kellerraum kann nur ein Übergangslösung sein. Später hat es auch noch ein Projekt-Gruppe Presse gegeben, die hat sogar eine eigene Zeitung, „Der Zünder“, herausgegeben. Der ist aber nur zwei mal erschienen.
Und dann ist man an uns herangetreten, ob wir nicht bei dem Heimat- und Vereinsfest ein Rock- Konzert organisieren wollten. Die Vereine haben ja auch Jugendliche gehabt und die haben gesagt, wir brauchen bei dem Fest auch etwas für die Jungen. Und das hat dann dazu geführt, dass wir dort diesen Rockabend gemacht haben. Zum ersten kamen viele hundert Besucher. Das war gigantisch. Und dann haben wir ein paar Jahre Freitagsabends immer den Rockabend gemacht.
Und im gleichen Jahr, also 73, war auch der Start der legendären Kappelsbergfete. Die Projektgruppe Musik, die hat das damals organisiert. Auf dem Kappelsberg gab es diese Pensionärshütte mit einem schönen Areal drumherum. Das war ursprünglich als kleines Fest für die aktiven Juz-Mitarbeiter gedacht, hat sich aber in den darauffolgenden Jahren zu dem wohl bekanntesten Jugendfest des Köllertals entwickelt. So eine Art Umsonst und Draußen mit regionalen Bands. Das ging später über drei Tage. 78/79 war der Höhepunkt und 1982 war dann die letzte Kappelsbergfete.
Silvester 73/74 wird im neuen Raum gefeiert.
Schwelbrand und erster Umzug
Irgendwann, ich glaube im Oktober oder November 73 war das, hatten wir einen Schwelbrand im Juz. Wahrscheinlich durch eine Zigarettenkippe, und dann war das Jugendzentrum für uns dicht. Aber die Gruppe ist nicht auseinandergebrochen, wir haben uns dann in aller Ruhe eine andere Lokalität gesucht. Und da waren uns dann die Jusos eine sehr große Hilfe. Die hatten einen Raum unter dem Dach in der alten Schule in Heusweiler. Wir haben den innerhalb von zwei, drei Tagen so eingerichtet, dass wir die Juz-Silvesterfete 73/74 dort feiern konnten. Der Raum lag allerdings direkt oben neben der Hausmeisterwohnung. Die Toilette glich einem Hühnerverschlag. Da kann man sich an drei Fingern abzählen, dass das nicht lange gut ging. Das war ein nicht endenwollender Dauerkonflikt mit dem Mann. Da sind zwei völlig unterschiedliche Interessen Tür an Tür aufeinander geprallt. Das war ein ganz üble Zeit. Aber zumindest haben wir wenigstens noch mal einen Raum gehabt. Wir haben zu unserem eigenen Leidwesen die Musik leise gedreht, damit es nicht völlig mit dem Hausmeister eskaliert ist.
Und 74 haben wir dann an Fastnacht in der Dilsburger Turnhalle unser erstes eigenes großes Konzert gemacht mit den Gruppen Puma und Neuschwanstein, also mit Gagen für die Bands, mit eigenem finanziellen Risiko. Und das war ein richtig großer Erfolg. Zum dreijährigen Jubiläum haben wir das in der Dilsburger Turnhalle wiederholt und das wurde auch wieder erfolgreich.
Und im November dann, nach diesen ganzen Festen, haben wir uns gesagt, wir müssen da oben raus aus dem Raum. Wir waren ziemlich frustriert durch diese permanenten Streitereien mit dem Hausmeister. Und wir haben dann auf den Marktplatz eine große Veranstaltung gemacht und ein Flugblatt verteilt, um auf den untragbaren Zustand hinzuweisen. Und das hat dazu geführt, dass wir den Kellerraum bekamen in der Alten Schule. Den haben wir auch wieder ruckzuck eingerichtet. Damit wir Silvester 74/75 auch wieder im Juz feiern konnten.
1975 fing das an, da haben wir die Filmvorführungen nicht mehr im Juz gemacht sondern im Kino. Es gab hier ein Filmtheater in Heusweiler, das war aber am sterben. Wir haben dann vereinbart, dass man für wenig Geld Filme vorgeführt bekommt die wir ausgewählt haben. Die Gemeinde hat das dann noch ein bisschen gepusht. Der Besitzer hat sein Kino voll gekriegt und wir konnten den Leuten Filme in einer ganz anderen Qualität vorführen. Nicht wie im Juz mit dem Knatterding. Wir haben dann politische Filme gezeigt, Musikfilme und Jugendfilme. Das lief dann eine Zeit lang richtig gut, bis wir dann später im Juz einen großen Filmvorführraum bekamen. Da haben wir nochmal angefangen, selbst Filme zu zeigen.
Silvesterfete 74/75 im Juz. In der Mitte Horst Sander
Mehr Räume und mehr Programm
1976 haben wir dann nochmal Druck gemacht, weil alles in dem einen Raum nicht mehr machbar war. Wir mussten ja ständig umräumen. Und da haben wir noch zwei Räume in der ersten Etage gekriegt. Das waren große Klassenräume und der Kellerraum hat dann als Allzweckraum gedient.
Der eine Raum ist dann zum Filmvorführraum, Tischtennisraum und Werkstattraum eingerichtet worden. Ein Jahr später etwa ist noch mal ein großer Raum obendrüber dazu gekommen. Da konnten wir noch mehr Programm anbieten. Wir hatten eine Kochgruppe, wir hatten eine Fotogruppe, und wir hatten sogar eine Siebdruckanlage. Die ganzen Plakate für die Konzerte und Veranstaltungen wurden dann hier selbst gedruckt.
Und da das ja alte Unterrichtsräume waren, hing noch die Tafel an der Wand. Da bin ich auf die Idee gekommen, Nachhilfe anzubieten. Für Kinder, deren Eltern weniger betucht waren. Ich hatte damals angefangen, Mathematik und Physik zu studieren. Da habe ich einige durch den Abschluss gebracht, die es wahrscheinlich anders nicht gepackt hätten. Das hat mir auch Spaß gemacht, den jüngeren unter die Arme zu greifen. Das war auch die Zeit, wo ich so überlegt habe, ob ich nicht vielleicht Lehrer machen sollte, oder später, ob ich nicht Sozialarbeiter werden sollte. Dann hab ich mir das genauer angeschaut und bin dann doch bei Mathe und Physik geblieben.
Durch die neuen Räume hatten wir natürlich viel mehr Möglichkeiten. Es gab eine Fülle von Konzerten und Filmen und das führte zu einem ungewöhnlich hohen Publikumszuspruch. Es war immer die Hölle los. Aber das führte natürlich auch zu Problemen. Wir haben auch früh schon gemerkt, dass wir bei vielen Konflikten überfordert waren. Alkohol und Drogen zum Beispiel. 1977 haben wir ein Papier erstellt zu konzeptionellen Überlegungen zum Einsatz eines hauptamtlichen Sozialarbeiters. Da sind wir auch mit dem Stadtverband Jugendamt in engeren Kontakt getreten. Und die waren offen dafür und haben uns 78 eine Sozialpädagogin zugewiesen. Die hat dann so Jugendnachmittage abgehalten, vor allem für die Kleinen, Jüngeren. Aber der hat der ganze Rahmen mit der Selbstverwaltung nicht gepasst. Da war von vornherein so eine Distanz und dann sind die Konflikte mit ihr eskaliert. So dass das Jugendamt, die nochmal abgezogen hat. Erst 1980 kamen dann mit Hartmut Franz und später Sigi Becker nochmal neue Sozialarbeiter.
So ab 76 war ich aber mit meinem Studium so beschäftigt, dass ich mich aus der
Vorstandsarbeit etwas zurückzog. Es war dann aber so, dass insgesamt die erste Generation so nach und nach wegbrach und kaum noch Jüngere nachkamen. Und dann wurde ich gefragt, das muss so 1978 gewesen sein, ob ich nicht nochmal in den Vorstand wollte. Ich hab mich dann breitschlagen lassen, weil es kaum noch Leute für den Vorstand gab. Da war ich dann der älteste. Und dann so Anfang 80er kam der Übergang zu jüngeren Leuten, den ich auch noch begleitet habe und dann war für mich Schluss. Ich habe neun Jahre aktiv Juz gemacht, aber hab die Entwicklung immer noch weiter beobachtet, bis das Juz 1985 geschlossen wurde, also die gesamten 13 Jahre.
Juz-Band auf dem Schulhoffest 1975
JuZ-Band und PROVINZ
Mein längstes Projekt im Juz und ja, die längste Projektgruppe des Jugendzentrums überhaupt ist natürlich die JuZ-Band. Wir haben seit 72 zusammen Musik gemacht. Und die JuZ-Band hatte einen relativ großen Bekanntheitsgrad. Wir sind im ganzen Saarland in den Juzen aufgetreten. Natürlich hat sich die Formation mehrmals ergänzt und verändert. Ich denke, dass die JuZ-Band so etwas wie ein Brandbeschleuniger für Bandgründungen im Raum Heusweiler war. Ich erinnere mich da noch an Bands wie Mapel Neck, Stash und Gin Tonic. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten von denen spielen heute noch in Bands. Anfang 81 ist der Drummer ausgestiegen. Wir wollten aber weiter Musik zusammen machen, das hat uns einfach zu viel Spaß gemacht. Dann ist so im Laufe 81 die Band PROVINZ entstanden. Da waren immer noch die Altjuzler drin. Aber im Gegensatz zur Juz-Band als Cover-Band haben wir da unsere eigenen Songs gemacht mit deutschen Texten und inhaltlich würde ich das schon teilweise als Politrock bezeichnen. Wir sind im Jahr 1982 auf dem Kappelsbergfest schon als PROVINZ aufgetreten. Ende letztes Jahrs hatten wir nach einer Auftrittsreihe noch ein Konzert in „Jochems Kneipe“ in Riegelsberg. Dort waren wir Ende der Siebziger als JuZ-Band und in den 80er Jahre sowohl als JuZ-Band als auch Provinz die Hausband.
Kappelberg 1978
JuZ-Band Kappelberg 1979
Wie würdest du denn im Rückblick dein Engagement im Juz bewerten?
Wenn man so zurückblickt, wie das Anfing, das war natürlich am Anfang, dass man eine Gemeinschaft gesucht hat, mit der man etwas zusammen machen kann irgendwas unternehmen kann. Ja, die Gemeinschaft stand im Vordergrund. Und nachher kam natürlich die Politisierung. Dann hat man die Sache nicht mehr nur als Gemeinschaft interpretiert, sondern hat auch politische Zusammenhänge hergestellt. Die Jugendzentrumsbewegung war links. Die Jusos haben uns unterstützt, nicht die Junge Union. Im Juz ist man politisiert worden. Die Leute, die hier mitgemacht haben, sind alle in gewissen Sinne politisch aktiviert worden. Im Juz wurden damals ständig Gespräche über die Politik geführt, irgendein Thema lag immer in der Luft. Zum Beispiel kam irgendwann die Anti-AKW-Bewegung auf. Wir sind dann mit einem kleinen Grüppchen nach Brokdorf gefahren. Einige haben dort aus Wut und Ohnmacht Steine geworfen. Würde ich heute auch nicht mehr machen. Aber trotzdem, man wollte halt irgendwas gegen die AKWs unternehmen. Und das wurde im Juz organisiert, auch gegen Cattenom damals, leider erfolglos.
Was uns alle zusammengeschweißt hat waren die vielen Konzerte und die Musik. Wir haben ja sehr viel organisiert über die Jahre, viele Konzerte und Festivals. Das waren auch wichtige Bühnen für die regionalen Bands. Da haben Bands wie Green Wave oder Neuschwanstein schon richtig Geld gekostet. Und wir haben am Anfang immer gezittert, ob genug Leute zusammenkommen. Aber es hat ja immer geklappt, und das war jedes Mal ein Erlebnis, wie man dann da gestanden hat, und es sind so viele Leute gekommen. Das waren dann immer so die Kernerlebnisse. Das waren die Highlights, wenn wir ein Festival organisiert haben und du hast da die ganzen Leute gesehen die ihren Spaß hatten weil wir das organisiert haben. Und diese gemeinsame Organisation vom Sommerfest, das hat zusätzlich die ganze Sache zusammengehalten. Und natürlich auch der gemeinsame Spirit, der Gemeinschaftsgeist zwischen den Leuten auch durch die Musik, die uns zusammengehalten hat.
All die jungen Leute, die da durchgegangen sind, die sind alle von dieser Sache beeinflusst worden. Da sind ja eine ganze Menge Leute durchgeschleust worden. In ganz unterschiedliche Funktionen. Allein auch durch die ganzen Projektgruppen. Wenn du dich heute mit denen unterhältst, die haben bis heute dieses gemeinsame Erleben nicht vergessen. Und es hat ihnen bei ihrer Bewusstseinsbildung geholfen. Die kamen ins Juz und ich sag mal, die Festplatte war noch leer. Und im Jugendzentrum, da ist dann doch einiges aufgespielt worden. Also alle, die nachher da rausgegangen sind, die sind alle nachher irgendwie aktiv geworden, auch politisch. Das Juz war die Möglichkeit, Inspirationen zu kriegen und das hat die Leute geprägt fürs Leben.
Horst Sander
Jahrgang 1953, Gründungsmitglied Juz Heusweiler 1972 und im Vorstand von 1973 bis 1981 allerdings mit Unterbrechungen, Gründungsmitglied und Gitarrist der Juz-Band und der Band Provinz und als einziger Musiker ohne Unterbrechung mit dabei. Studium Mathematik und Physik und danach in der Industrie tätig. Spielt immer noch bei Provinz
Rainer Ziebold
gest. 2021, Initiator des Jugendzentrums Heusweiler 1972, langjähriges Vorstandsmitglied, Gitarrist der ersten Formation der Juz-Band (1972-1973), Ortsvorsteher in Heusweiler von 1993 bis 2002, Bürgermeister der Gemeinde Heusweiler von 2002 bis 2010.
Probe im Juz 1972
Kappelberg 1976
Kappelberg 1978
Fasching 1979
Kappelberg 1979