Der originale Text befindet sich in den Nachrichten Nr. 61. Er ist hier leicht abgewandelt – weil gekürzt. Es geht um die ganz persönliche Erfahrung und Entwicklungsgeschichte von Wolle im Juz Eppelborn – sozusagen ein coming of age im Juz.
Von Selbstverwaltung zu Selbstbefriedigung
"Was war:
Ich war 14 Jahre alt, ging häufig in Discos, obwohl ich Discos im Grund nicht ausstehen konnte, weil man nur für Geld etwas geboten bekam, und davon hatte ich damals nicht sehr viel. Die Schule fand ich beschissen, hatte Angst vor den Arbeiten, ständig Ärger mit den Lehrern, und auch zuhause fühlte ich mich nicht wohl. „Ordnung ist das halbe Leben, unterordnen das ganze“.
Dieser blöde Satz behagte mir ganz und gar nicht. Aber mir fehlte das nötige Selbstvertrauen, um mich aufzulehnen, und auch unter meinen Freunden war niemand, der Rat wusste oder meine Situation verstand.
Zufällig kam ich in dieser Zeit einmal ins Eppelborner Juz. Ich war überrascht. Es gefiel mir. Keine Ordnung, nicht alles sauber und aufgeräumt wie zuhause, und vor allem: obwohl ich niemand kannte, wurde ich gleich angesprochen, ausgefragt, zur Mitarbeit aufgefordert. Nur wurde ich nicht gezwungen, es blieb mir freigestellt, etwas zu tun oder zu lassen. Ich fand die Leute sehr sympathisch, man hörte die gleiche Musik obwohl alle älter waren, wurde ich als Gleichwertiger behandelt, man gab mir sogar einen Schlüssel fürs Juz. Man vertraute mir.
Der Schlüssel ermöglichte mir, häufig ins Juz zu gehen, auch wenn niemand da war, um Musik zu hören. Mit der Zeit verbrachte ich jede freie Minute im Juz, begann mich auch für Organisation und Inhalte der Arbeit zu interessieren. Die erste Vollversammlung an der ich teilnahm, brachte die Entscheidung. Ich stieg auch organisatorisch ein, entdeckte die Aufgeschlossenheit, die mir entgegengebracht wurde; die Freundschaft und das Verständnis mit dem man verkehrte. Jede Meinung wurde akzeptiert und diskutiert, damit Hemmschwellen abgebaut, das Selbstvertrauen gestärkt wurde. Zwar wurde gestritten, aber offen und ehrlich, ohne Hohn und Schmäh. Ich fühlte mich verstanden und als volle Persönlichkeit angenommen, gleichberechtigt mit allen anderen.
Auch einige meiner Mitschüler gingen in jener Zeit ins JUZ, besuchten aber vorerst keine der Sitzungen, obwohl ich erklärte, wie hilfreich solch eine Sitzung sein könnte. Ich lernte z.B, Flugblattarbeit, wie man Jugendarbeit organisiert, wie man miteinander diskutiert, überhaupt miteinander umgeht. Auch im Umgang mit Institutionen, nötigenfalls auch Leistung von Widerstand gegenüber Ämtern und Ähnlichem lernte ich vieles, und nicht zuletzt halb man mir bei meinen Auseinandersetzungen mit der Schule. Damals entwickelte ich Vorstellungen und Ansprüche zu denen ich auch heute noch stehe, unter anderem, dass ich mich gegen jeden Druck, sei er institutionalisiert oder von einer Person ausgeübt, wehre, zu meinen Vorstellungen stehe. Meine Vorstellungen verbanden mich aufs Engste mit dem Jugendzentrum, in dem ich vieles von anderen praktiziert sah, was mir als richtig erschien, und mit dessen Hilfe ich auch einige meiner Ideale auch verwirklichen konnte. Ich identifizierte mich mit dem Jugendzentrum Eppelborn.
Was wurde:
1985 vollzog sich im Jugendzentrum Eppelborn ein Generationenwechsel, die alten Mitstreiter stiegen aus der Organisation aus; der verbleibende Rest bildete nicht mehr als eine Rumpfmannschaft. Und im Laufe der Zeit zeigte sich, dass mit dem Ausstieg der älteren Generation auch die Solidarität und das Miteinander im JUZ verloren gingen. Unter vielerlei Geplänkel und Streiterei teilte sich die Gemeinschaft der JUZler. Auf der einen Seite standen die, die versuchen wollten, das JUZ in altem Geist weiterzuführen; auf der anderen Seite die, die durch ständige Nörgelei und verbale Angriffe die Arbeit zu torpedieren suchten, statt in offener Diskussion gemeinsame Lösungen zu finden. Das Jugendzentrum verfiel, die destruktive Haltung der Mehrheit drängte eine konstruktive Minderheit ins Abseits……Endlich war der Punkt erreicht, an dem im JUZ nur noch das Nötigste organisiert wurde, im Großen und Ganzen aber nicht mehr von wirklicher JUZ-Arbeit gesprochen werden konnte….Das Jugendzentrum verkam zu einer Suff- und Suddelkneipe. Lediglich durch Drohungen mit der Schließung des JUZ konnte zeitweise eine gemeinsame Arbeit erzielt werden, die meisten beteiligten sich jedoch nur deshalb an Aktionen, um nicht den Freiraum zu verlieren, der ihnen erlaubte, das zu tun, was zuhause nicht möglich war, vorwiegend also um Feten zu feiern,…Die Solidarität ging flöten, Vorwürfe und Missstimmung nahmen das Heft in die Hand. Die Auflösung der Zusammenarbeit wirkte sich auch auf die Haltung des JUZ gegenüber anderen Gruppierungen und Initiativen aus. So wurde mit einem CDU-Sozialarbeiter zusammen gearbeitet, aus Angst, der Bürgermeister könne ansonsten Druck auf das JUZ ausüben.
Anm. d.Red: Es folgen mehrere Beschreibungen von Konflikten unter den JUZlern, die nicht gut bewältigt wurden.
Kurze Zeit darauf kontrollierte die Polizei nachts um halb vier eine Fete, obwohl es recht ruhig zuging und sich in der Nachbarschaft niemand belästigt fühlte. Weil niemand seine Personalien aufnehmen lassen wollte, forderte die Polizei Verstärkung an die schon nach fünf Minuten ankam (obwohl die Wache zehn Kilometer entfernt ist) und den Widerstand brach. Unangenehmes Resultat dieser Aktion war eine Anzeige, die ich eine Woche nach besagtem Abend erhielt. Den Schluss, den ich aus der Polizeiaktion ziehe, ist folgender: Die Polizei wurde von der Gemeinde „aufgefordert“ im JUZ „mal nach dem Rechten zu sehen“ . Anders kann ich mir nicht erklären, warum so spät in der Nacht und zudem noch völlig grundlos eine Durchsuchung des Jugendzentrums stattfand.
Die Reaktion der restlichen Juzler auf diese Polizeimaßnahme spricht Bände: man war einhellig der Meinung , das die Verweigerung der Preisgabe meiner Personalien ein schlechtes Licht aufs JUZ werfe und in Zukunft mit weiteren Repressalien durch die Gemeinde gerechnet werden müsse. Die Kuscher hatten das Heft leider übernommen. “ …
Leider hatte Wolle noch einen fast tätlichen Angriff aufgrund dieser Entwicklung zu überstehen, der ihn auch sehr enttäuschte. Er zog den Schluss, sich aus der JUZ-Arbeit zurückzuziehen. …
„Es ist nicht möglich, die Nutzer des JUZ Eppelborn auf eine sinnvolle Selbstverwaltung zurückzuführen; ich glaube eher, das Gegenteil wird der Fall sein.“ WS
Das war 1988. Wie es weiterging mit dem Juz Eppelborn werden wir noch berichten.