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Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V.

Vorbildlich. Die Gemeinde Rehlingen-Siersburg

Die Gemeinde Rehlingen-Siersburg gehört zum Landkreis Saarlouis, hat ca. 14.000 Einwohner und besteht aus den Ortsteilen Rehlingen, Siersburg, Fürweiler, Obersch, Hemmersdorf, Niedaltdorf, Gerlfangen, Eimersdorf, Fremersdorf und Biringen. In neun dieser zehn Ortsteilen ist der jeweilige Jugendtreff fest im Gemeinwesen verankert. Wir haben mal vorbeigeschaut und mit den Aktiven gesprochen.

Einen Einblick in die Gründungsphase des Jugendtreffs Hemmersdorf gewährt uns auch Markus Emanuel in seinen biografischen Notizen zum Jubiläum.

Im Interview erzählt die kommunale Jugendpflegerin, dass diese gute Infrastruktur offener Jugendarbeit bereits vor vielen Jahrzehnten entstanden ist. Die Gemeinde hatte einen der ersten kommunalen Jugendpfleger, Friedhelm Neuendorf, und dieser unterstützte aktiv die Gründung von Jugendtreffs seit Anfang der 90er Jahre. Seither sind die Jugendtreffs aus der Gemeinde nicht mehr wegzudenken.

„Der Verein mit dem Jugendtreff,
von Jugendlichen für Jugendliche
organisiert, ist natürlich ein
Riesengewinn für den Ort, da
sind wir absolut froh, das zu
haben.“ 

Thomas Hoffmann, Ortsvorsteher  von Gerlfangen

Der Ortsvorsteher von Gerlfangen, Thomas Hoffmann erzählt im Interview, dass er selbst damals als Jugendlicher den Jugendtreff mitgegründet und eingerichtet hat. In den über 30 Jahren Geschichte sei der Jugendtreff Gerlfangen nie geschlossen gewesen. „Der Ortsrat stand schon immer hinter dem Treff und auch die Gemeinde hat damals beim Aufbau geholfen.“
Aus Sicht der Gemeinde und der kommunalen Jugendarbeit bieten selbstorganisierte Treffs klar zu benennende Vorteile: Die Treffs engagieren sich über Jugendarbeit hinaus für soziale und gesellschaftliche Belange im Ort. Sie helfen mit bei Spendensammelaktionen oder bei Piccobello- Tagen. „Jugendtreffs sind ein wichtiger
Bestandteil, auch um Traditionen aufrechtzuerhalten, gerade auf dem Land, wie Fastnachtsumzüge, Erntedankfeste oder Maibaum setzen“, erzählt Frau Kolaric-Wilhelm und ergänzt: „Wenn es auch um das Thema Demokratieförderung und Demokratie erproben geht, da ist ja ein Jugendzentrum wirklich das allerbeste Feld dafür“.
Die Gemeinde nutzt die Treffs auch als Infrastruktur zur politischen Jugendbeteiligung. Frau Kolaric-Wilhelm organisiert halbjährliche Treffen mit allen Jugendtreffs, zum Austausch, zum Networking und zur gegenseitigen Unterstützung.
Und: „Der Jugendrat der Gemeinde ist auch bei den Treffen mit dabei, denn sie sollen die
Bedürfnisse der Jugend mitbekommen. Der Jugendrat kann die Treffen ebenso nutzen, um zu berichten, was er gerade macht und welche Projekte er gerade plant. Der Jugendrat besteht natürlich auch zum Teil aus Leuten aus den Treffs, aber auch aus Jugendlichen aus anderen Jugendvereinen.“

Die jahrzehntelange überwiegend positive Erfahrung mit den Jugendtreffs führt dazu, dass sich die jeweiligen Bürgermeister*innen und Ortsvorsteher*innen sehr offen gegenüber den Anliegen der Treffs zeigen und diese auch ernst nehmen. „Natürlich gibt es da auch generationsbedingt ein paar andere Ansichten, wenn der eine oder andere Ortsvorsteher schon etwas älter ist, aber die Ortsvorsteher sind schon alle auch stolz, wenn sie einen Treff in ihrem Ort haben“, erzählt Frau Kolaric-Wilhelm. Und Herr Hoffmann bestätigt: „Der Verein mit dem Jugendtreff, von Jugendlichen für Jugendliche organisiert, ist natürlich ein Riesengewinn für den Ort, da sind wir absolut froh, das zu haben. Man muss sich in diesen kleinen Orten als Gemeinschaft verstehen, nicht nur im Jugendtreff, man muss für die Älteren, für die Jüngeren da sein. Miteinander und  füreinander, da ist das Verständnis auf beiden Seiten“.

„Für mich war immer das Beste,
wenn man irgendwas zusammen
organisiert hat im Team und dann
steht man da und tausend
Menschen feiern, weil man etwas
auf die Beine gestellt hat.“

Und die Jugendlichen selbst? Für sie steht im Mittelpunkt, dass der Jugendtreff eben genau das ist: ein Ort, an dem man sich mit Freunden treffen kann. Vor allem auf dem Land, wo die Wege weit und die Verkehrsanbindungen mit dem ÖPNV schlecht sind, braucht es aus Sicht der Jugendlichen dringend einen eigenen Raum. Ein Raum, den man selbst gestalten kann und in dem man auch die eigenen Vorstellungen von Freizeitgestaltung umsetzen kann. Ein Mitglied des JT Hemmersdorf erzählt: „Für mich war immer das Beste, wenn man irgendwas zusammen organisiert hat im Team und dann steht man da und tausend Menschen feiern, weil man etwas auf die Beine gestellt hat“.
Ein Mitglied des JC Gerlfangen ergänzt: „Am Anfang fand ich es hier nicht so cool, weil ich dachte, es ginge nur ums Abhängen. Aber als ich dann mal gesehen habe, was man hier alles machen kann und wieviel Spaß es macht, hier gemeinsam was zu starten, fand ich es super. Ich habe hier im Jugendclub meine schönsten Erinnerungen. Ich habe hier meine Freundin kennengelernt und die besten Partys gefeiert“.

Für die Jugendlichen ist es aber auch wichtig, sich mit dem Jugendclub am Dorfgeschehen zu beteiligen. Sei es mit der Kirmesdisco, den Faschingsumzügen oder sonstigen ländlichen Traditionen: „Eine große Sache ist natürlich das Holen des Maibaums, das machen die Aktiven im Juz mit ein paar Freunden aus dem Dorf. Dann wird er aufgestellt und wir feiern das Maifest hier im Jugendtreff. Woanders macht das häufig die Feuerwehr, aber bei uns im Ort macht das Jugendtreff“ berichtet der JC  Gerlfangen.
Auch wohltätige Aktionen stehen hoch im Kurs, z.B. in Hemmersdorf: „Wir beteiligen uns im Dorf ziemlich viel, wo wir uns präsent zeigen, zum Beispiel bei der Picobello-Aktion, wo Müll gesammelt wird, bei Bolivienaktionen, wo wir Altkleider in Säcken sammeln für  Bolivien. Oder auch Nikolaus-Aktion, Kriegsgräbersammlung. Da geht es darum, dass
man im Dorf sieht, dass wir eine Gemeinschaft sind.“ In Oberesch waren die Jugendlichen
des Jugendtreffs eine treibende und gestaltende Kraft im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, was sicher mit dazu beitragen konnte, dass Oberesch auf Landesebene die Goldmedaille und auf Bundesebene die Silbermedaille holen konnte. Sehr stolz sind die Oberescher Jugendlichen auf ihre Teilnahme beim IBG Jugend-Work-Camp 2018, als sie gemeinsam mit jungen Menschen aus aller Welt einen Barfußpfad für Menschen mit und ohne Handicap anlegten.

„Und dann lernt man noch zu
organisieren, sich im Team
abzusprechen, Konflikte zu
lösen, Kompromisse zu schließen,
sich als Einheit zu präsentieren,
zusammenhalten, als Jugendliche
sich bei erwachsenen
„Amtspersonen“ durchzusetzen
und so vieles mehr!“

Bei soviel Engagement bleibt es nicht aus, dass man nebenbei auch viel lernt und viel aus der Zeit im Jugendclub mitnimmt, z.B. Handwerken: „Wir haben hier im JC Hemmersdorf alles selbst renoviert, wir haben im Juz ziemlich viele Leute, die sind Handwerker, Elektriker, Heizungsbauer, Dachdecker oder lernen das eben gerade in der Ausbildung. Wir haben eigentlich alles an der Hand, um die Sachen selbstständig zu machen“. Und dann lernt man noch zu organisieren, sich im Team abzusprechen, Konflikte zu lösen, Kompromisse zu schließen, sich als Einheit zu präsentieren, zusammenhalten, als Jugendliche sich bei Erwachsenen „Amtspersonen“ durchzusetzen und so vieles mehr! 

Ein „Gerlfanger“ erzählt: „Was ich dabei gelernt habe? Es ist sehr wichtig, sich gut zu organisieren. Nicht nur im Jugendtreff, auch sonst im Leben. Wenn man hier nicht organisatorisch gut aufgestellt ist, geht alles unter. Das lernt man mit der Zeit. Auch, wie man mit Leuten redet, auch wenn mal was schiefgelaufen ist. Wie man mit Leuten umgeht, egal ob Autoritätspersonen oder andere Jugendliche im Jugendzentrum. Da nimmt man schon einiges mit, gerade, wenn man noch jung ist und so viel Erfahrungen noch nicht hat“. Und in Hemmersdorf betont man: „Wir haben im Jugendtreff Teamarbeit und Organisation fürs Leben gelernt. Und vor allem Kompromissbereitschaft und mit den Kompromissen leben zu können. Kritikfähig muss man halt sein. Und an einem Strang  ziehen. Wir sind ein Vorstand und stehen zusammen für die Sache ein“.

“Jedes Jahr schenken wir
den Nachbarn Fresskörbe
als Dankeschön, dass sie es
aushalten“.

Und so geht man in Rehlingen-Siersburg auch gelassen mit Schwierigkeiten um, wenn z.B. mal eine Treff-Party aus dem Ruder läuft und es den Nachbarn doch mal zu bunt wird. Meist landen Beschwerden und der Unmut über den Jugendtreff z.B. in Gerlfangen direkt beim Ortsvorsteher: „Ich stehe dann – leider oder gottseidank – meist auf der Seite der Jugendlichen. Natürlich kommen dann auch mal Ansagen – in einem vernünftigen, freundschaftlichen Ton. Und damit konnten wir bislang alle Konflikte lösen. Ich glaube, der Jugendtreff kann sicherlich sagen, dass ich voll hinter ihm stehe und ich habe immer gesagt: Ich bin nicht derjenige, der den Jugendtreff zumacht!”.
Tatsächlich bestätigen die Jugendlichen in Gerlfangen: „Mit dem Ortsvorsteher und der Jugendpflegerin ist das prima. Wir haben einen Nachbarn, da ist das Verhältnis problematisch, aber die meisten wissen durchaus, wie es so ist und verstehen auch, dass es im Jugendtreff mal lauter wird. Jedes Jahr schenken wir den Nachbarn Fresskörbe als Dankeschön, dass sie es aushalten“.

„Das hält die Jugendlichen
auch hier und das sollte jede
Gemeinde so machen. Wenn
es die Jugendtreffs nicht gäbe,
hätte ich keinen Grund, hier
zu bleiben“.

Die Gemeinde Rehlingen-Siersburg steht voll hinter ihrer Jugend und die jungen Menschen sehen hier ihre Heimat und wollen auf jeden Fall bleiben. Landflucht ist hier kein Thema: „Für mich wäre es das schlimmste, was mir passieren könnte, wenn ich jetzt hier wegmüsste. Ich bin da vielleicht auch mit meinen zwanzig Jahren etwas spießig, aber ich habe hier schon mein Baugrundstück. Ich habe das Dorf einfach lieben gelernt. Ich kann mir einfach nichts anderes vorstellen. Die Leute, die vor ein paar Generationen aus Hemmersdorf weggezogen sind, kommen jetzt auch wieder“.
Auch die Jugendlichen aus Gerlfangen halten große Stücke auf ihre Gemeinde: „Der Hauptgrund ist auf jeden Fall, dass sowohl die Ortsvorsteher als auch die Gemeinde hinter den Jugendtreffs stehen und das beibehalten wollen. Und auch mal ein Auge zudrücken, wenn Beschwerden kommen. Das hält die Jugendlichen auch hier und das sollte jede Gemeinde so machen. Wenn es die Jugendtreffs nicht gäbe, hätte ich keinen Grund, hier zu bleiben“.

Ausgezeichnet

Welch enorme Bedeutung die  selbstorganisierten Treffs für lebendige Gemeinden und ländliche Ortschaften haben, zeigt sich immer wieder beim bundesweiten Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“. Wir haben uns mit dem Ortsvorsteher von  Oberesch, dem Landessieger 2018, zum Interview getroffen und ihn nach der Bedeutung des Jugendtreffs für die Bewertung befragt.

Der Ortsvorsteher von Oberesch, Michael Engel, im Gespräch mit Andre Piro von juz-united

Was bedeutet der Jugendtreff für den
Ort Oberesch?

Für uns ist der Jugendtreff ganz wichtig, weil, und das ist das besondere, weil die Jugendlichen sich für alle Generationen im Ort einsetzen. Was man z.B. daran sehen kann, dass sie spontan eine Siegesfeier organisiert haben für „Unser Dorf hat  Zukunft“. Dann sind dort plötzlich 130 Leute und feiern. Und sie sind für uns auch immer wieder Impulsgeber. 

Wenn Ältere sehen, wie die Jungen aktiv sind, freuen die sich natürlich. Die sehen, die Arbeit am Dorf geht weiter, weil Aufgaben auch von den Jungen  übernommen werden. Die sind ja nicht nur im Jugendtreff aktiv. Bei fast allen Aktionen, die wir im Ort haben sind die Jugendlichen aus unserem Jugendtreff in irgendeiner Art und Weise verantwortlich mit dabei.

Was ist damit gemeint: Jugendliche sind
Impulsgeber?

Also, wir haben uns ja mit der Ausschreibungvon „Unser Dorf hat Zukunft“auseinandergesetzt. Und bei unserem ersten Treffen, wir hatten alle Vereine eingeladen, kam der gesamte Vorstand vom Juz. Und ich glaube, das war der entscheidende Punkt. Es war sehr beeindruckend. Wenn sich so viele Jugendliche für ihren Ort engagieren wollen, dann sollte man das doch auch gemeinschaftlich unterstützen. Es waren alle Vereine da, aber das Juz war ein entscheidender Impulsgeber für die Entscheidung zur Teilnahme am Wettbewerb.

Wie ist denn der Ruf des Jugendtreffs
im Ort allgemein einzuschätzen?

Es gibt natürlich auch Beschwerden, dass es zu laut ist, dass eine Party zu lange gedauert hat und dass am nächsten Morgen nicht aufgeräumt ist. Das ist die eine Seite. Dann spür ich den großen Stolz von ganz vielen Obereschern, dass sich so viele Jugendliche in dem kleinen Dorf engagieren und sich für den Ort einsetzen und nicht einfach wegfahren. Die können es sich ja auch am Wochenende leicht  machen und fahren nach Saarlouis. Da kriegen sie was geboten.
Aber sie sind dann hier und machen den Jugendtreff auf. Also ich glaub, die Erwachsenen sehen den Jugendtreff mit großem Stolz und er hat ein gutes Standing im Ort.

Es gibt auch Konflikte, wie werden die geregelt?

Der Jugendtreff hat jetzt schon drei mal zu einem Gespräch eingeladen, wo jeder Anwohner, jeder verantwortliche Mandatsträger kommen konnte. Alle konnten ihre Meinung sagen und man hat dann versucht, Lösungen zu finden. Oder einfach miteinander ins Gespräch zu kommen. Das ist vielleicht noch das  wichtigste, miteinander zu reden, anstatt nur übereinander zu reden. Und das ging vom Jugendtreff aus.

Wie wichtig ist es denn, dass der Jugendtreff selbstverwaltet ist?

Um zu lernen, was für ein späteres Vereinsleben wichtig ist, ist  Selbstverwaltung schon wichtig. Weil man selbst lernt, mit eigenen Ideen umzugehen und die dann verantwortlich umzusetzen. Das lernt man, wenn man sich nicht noch auf einen Häuptling drüber verlassen kann, sondern wenn man dann selbst in der Verantwortung ist. Wenn man dann selbst beim Nachbarn klingelt und sich selbst mit dem auseinandersetzt. Und es ist unglaublich wichtig, dass man Fehler  machen kann und lernt, damit auch umzugehen. Wichtig ist aber auch, dass man einen groben Rahmen hat, in dem man sich bewegt.

Was bringt denn das Engagement für die
Jugendlichen?

Ich sag das jetzt mal aus meiner Erfahrung. Mir hat mein Engagement unglaublich viel für mein späteres Berufsleben gebracht. Meine Erfahrung ist, dass wenn man Verantwortung übernehmen muss, das auch für später sehr viel bringt. Das merkt man daran, dass wer mal im Vorstand eines Jugendtreffs aktiv war, und ich meine wirklich aktiv, das merkt man später ganz deutlich. Das sind die, die einen ganz anderen Blick für Verantwortung haben. Die auch mit 30 wissen, wie man eine Veranstaltung organisiert und die Verantwortung auch übernehmen.