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Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V.

Jetzt schalten wir das Radio an, aus dem Lautsprecher klingt es dann: Wir fahr´n auf der Autobahn - Musik als Motor der ästhetischen Identität

Im Open Haus gab es eine Musikanlage. Wenn meine Erinnerung richtig ist, war die von Marantz. Die war teuer, aber wichtig. Stark genug, um den Raum mit Klang zu füllen. Es war ein Verstärker mit Tapedeck und einem Plattenspieler. Kassetten und Platten wurden mitgebracht, um alles, was neu war, den anderen vorzuspielen. Es war keine Musik zum Tanzen, und keine, die im Hintergrund dudelte, sondern Musik zum intensiven Zuhören und zum Begutachten. „Mach mal lauter“, war ein Hinweis, dass einem die Musik gefiel. 

Und das ist meine Frage: Wie kommt es zu einem Geschmack, den man mit anderen teilen kann und wozu ist das gut? Mit Musik kann man sich gleichzeitig wunderbar abgrenzen von allen, die diese nicht mögen und man sieht sich eins mit Leuten, die diese Musik auch mögen. Und ich finde, dass man das Aushandeln ästhetischer Fragen sehr gut in den Jugendtreffs beobachten kann. Und: Gemeinsam ist besser als einsam. Dabei treffen alle mit höchst-individuellen Präferenzen zusammen, um deren Qualität und Konsensfähigkeit kommunikativ abzustimmen.

King Crimson mit ihren Alben „Starless and Bible Black“ und „Red“ erschienen beide 1974. Neben der Komposition war auch der Sound wichtig, der oft leise und differenziert wahrgenommen werden wollte. Die Musik von Soft Machine, die ebenfalls Mitte der 1970er das Open Haus erreichte, umfasste stilistisch Progressive Rock, Experimental Rock, Jazz Rock, Jazz, Proto- Prog, bis hin zu Psychedelic Rock und Art Rock. Wie auch immer man den Stil beschreiben konnte, er musste einzigartig sein. Auch wieder Musik, bei der man zuhören musste: Differenzierte Klänge, clevere Arrangements, verschlungene Rhythmen.

Die Musik dieser Bands in dieser Zeit wurde zunehmend komplexer und artifizieller. Ein Schlagzeug war nicht nur für den Rhythmus zuständig, sondern auch für eigenartige Sounds. Selten wurden gängige Rhythmen der Rockmusik verwendet, sondern gerne eine ungerade Anzahl von Schlägen pro Takt. Musik, bei der man kaum mitwippen konnte, sondern die man sich intellektuell erarbeiten musste. Auf Dauer konnte das nix werden – außer für ein paar intellektuelle Gymnasiasten. Da musste sich was ändern. Selbst Free Jazz war nichts mehr, das aufhorchen ließ. Echte Innovationen mussten her, wollte man im Open Haus noch Eindruck machen. Als die LP „Autobahn“ von Kraftwerk 1974 erschien, löste dies eine musikalische Revolution aus. Nicht nur im Open Haus.  Auch heute noch gilt die Musik als bahnbrechend. Zu Beginn war das nicht für jede/n. Sowas hatte die Welt noch nicht gehört: Elektronisch erzeugte oder manipulierte Klänge, die nicht nur avantgardistisch quiekten und quäkten, sondern tanzbar war. Die Sounds waren neu, Melodie, Rhythmus und Harmonien waren eingängig und dazu Songtexte, denen man folgen konnte, wenn man hinhören wollte. Dabei fingen Kraftwerk ein paar Jahre zuvor als Experimentalmusiker an, die sich auf Karlheinz Stockhausen bezogen. Das konnten die intellektuell tuenden Homburger Gymnasiasten vom Saarpfalz-Gymnasium mit Vollbart gut finden. Die erste LP von Kraftwerk aus dem Jahre 1970 hatte kaum musikalisch traditionelle Strukturen. Rhythmus war irgendwie da, Melodien und Harmonien waren reduziert, stattdessen der Sound einer Querflöte verfremdet durch einen Ringmodulator und E-Gitarre durch Verzerrer und Wah-Wah. Die Platte war bekannt durch die Hülle, die eine Pylone und den Schriftzug „Kraftwerk“ zeigte.  Die Musik war für Insider. Musikinstrumente, die nach Flugzeugen, Sirenen und Bombenhagel klingen oder 1974 nach vorbeirauschenden Autos auf der Autobahn.

Eine Gesellschaftstheorie der Veränderung

Muster für die Mechanismen der Veränderungen könnten in der Diffusionstheorie zu finden sein. Sie betrachtet die Durchdringung sozialer Systeme mit Innovationen. Die bisherigen Erklärungen für die Akzeptanz von ästhetischen Innovationen sind jedoch nicht befriedigend. Sie schließen von Entscheidungen auf der Mikroebene summarisch auf die Makroebene ohne spezifische Tendenzen und Widerstände in einzelnen Bereichen der Gesellschaft zu betrachten. Ganz allgemein wird scheinbar eine kritische Masse benötigt, die einen Trend verstärkt, ohne einen dahinterstehenden Prozess analytisch benennen zu können. Die Rolle der Individualkommunikation wird zwar anerkannt, jedoch sind kommunikative Konsensbildungsprozesse innerhalb von Gruppen nicht berücksichtigt. Nur damit lassen sich die Debatten in den Jugendzentren und in minderem Maße auch auf den Schulhöfen beschreiben. In den Jugendzentren trifft sich eine Auswahl von Jugendlichen, die bereits mehr oder minder politisiert ist, die auf Gemeinschaft setzt und die zusammen was bewegen will. Jugendzentrum als Kollektiv zu betreiben,  braucht ein gemeinsames – wenn auch vages – Verständnis von Zielen.

Dabei gibt es eine ganze Reihe von Phänomenen, die eine vergleichbare Entwicklung zeigen: Tätowierungen, gewisse Musik- und Tanzstile, Trivialliteratur und Comics begannen alle als Unterschichtbewegungen, erhalten dann Akzeptanz in der Oberschicht, bevor sie die Mittelschicht erreichen und damit zu einer gesamtgesellschaftlichen Erscheinung werden. Eine Überlegung, die Ron Mann in seinem Dokumentarfilm „Twist“ aus dem Jahre 1992 darlegt, geht davon aus, dass ästhetische Innovationen nur in der Unterschicht entstehen können, da man hier ohne den ökonomischen Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen innovativ sein muss. Teilhabe an sozialem Gemeingut ist durch ökonomische Hemmnisse erschwert, was zu Neuschöpfung von Verhaltensweisen zwingt. Die Mittelschicht grenzt sich von diesen Innovationen zunächst vehement ab. Deren Konzept von Moral, Anstand und Schicklichkeit steht dazu im Widerspruch. Ihre Errungenschaften auf dem Gebiet der sozialen Normen und Werte werden in Frage gestellt. Zudem orientiert sich die mittlere Schicht an der Oberschicht, da deren Verhalten ein Zeichen ihres Erfolges darstellt. Die Oberschicht selbst hat keine Probleme der Abgrenzung. Gleichzeitig fehlt es ihr an Innovationen. Diese kann sie sich bei der Unterschicht holen. Sobald ein Phänomen in der ökonomischen und intellektuellen Oberschicht angekommen ist, kann sich auch die Mittelschicht bedienen. Immerhin sind die Verhaltensweisen der Oberschicht ihr Vorbild. Dieser Verlauf lässt sich auf die Phasen der Comic-Beschäftigung übertragen und damit erklären.

In der ersten Phase wurden Comics von der Bildungsschicht als Bedrohung gesehen, die es abzuwehren galt. Dabei werden Kinder und Jugendliche vor allem aus der Unterschicht als potenzielle Opfer ausgemacht. Die Patronisierung durch Pädagogen ist die dominante Reaktion auf die Comics im Nachkriegsdeutschland, die sich in Umtauschaktionen und Verbrennungen der vermeintlichen Gefahr konsequent äußerte. In der zweiten Phase sind zum einen die erwarteten katastrophalen Konsequenzen ausgeblieben, zum anderen wurden die einstigen Kinder und Jugendlichen nun selbst erwachsen und konnten Comics als Gefahr nicht mehr erleben und entsprechend weitergeben. Schließlich werden Comics sanktioniert durch museumswerte Kunst und durch die akademische Elite ersetzt. Damit ist ein Widerstand gegen die Textsorte nicht mehr aufrecht zu halten. In Phase eins und teilweise in Phase zwei war eine gelassene Auseinandersetzung nicht möglich, was auch Folgen für die akademische Beschäftigung hatte. Die Wahrnehmung durch Kinder und Jugendlich ist nicht mehr als Verbot durch pädagogische Begleitung gekennzeichnet. Erst in Phase drei ist die Auseinandersetzung offen. Dass die medien- und kommunikationswissenschaftlichen Disziplinen hinterher hingen, hat möglicherweise mit der immer noch mangelnden Thematisierung im universitären Unterricht zu tun. Kommunikationswissenschaft und -geschichte kümmert sich bis heute vorrangig um journalistische Fragestellungen. Bei der Forschung zu Comics gibt es zwar Ansätze, Methoden der Analyse und Verwendungen in der Publikationspraxis zu etablieren, doch Comics sind immer noch nicht aus der Nische. Die ehemalige Trivialliteratur wird offenkundig als Unterhaltung abgetan und hat bislang keinen festen Platz im akademischen Kanon, während die Textsorte in der Gesellschaft längst angekommen ist.

„Mach die Musik aus!“ war der Befehl aus dem Wohnzimmer über den Flur in Richtung Jugendzimmer. Ähnlich wie Comics war Beat-Musik von elterlichen Ressentiments begleitet. In diesem Negativ-Verhältnis zu Eltern, Schule und Obrigkeit fanden sich viele Jugendliche. Da es fast allen ähnlich ging, waren Freundschaften durch ähnliche Erfahrungen leicht. Man konnte sich wechselseitig gut verstehen. Diese Erfahrungen hatten möglicherweise auch Auswirkungen auch auf andere Bereiche. Auch musikalische Präferenzen konnten verständnisvoll verstanden werden.

Und Menschen mit einem ähnlichen ästhetischen Grundverständnis verstehen sich auch sonst besser. Man kann Differenzen leichter ertrage und aus dem Weg räumen, wenn man sich beim Geschmack einig weiß.

Wahrnehmungen werden ästhetisch bewertet

Ursprünglich dienten das Aussehen, der Geruch und der Geschmack von Lebensmitteln dazu, den Reifegrad oder deren Gefahrenpotenzial einzuschätzen. Das ästhetische Urteil ist damit ein Instrument der Vorhersage, wie einem die Nahrung bekommen wird. Der Geschmackssinn ist am intensivsten mit dem Gedächtnis verbunden.

Allgemein sind Entscheidungen über ästhetische Werte kultureller Produkte der Selbstbeobachtung nicht zugänglich. Es fällt den Menschen häufig schwer, zu sagen, warum sie ein bestimmtes Bild, einen Film oder ein Musikstück gut finden. Ästhetische Erfahrungen sind spontan, intuitiv und erzeugen ein Gefühl, das sehr stark sein kann. Es braucht offenbar kein Bewusstsein für Prinzipien, Ursachen, Nützlichkeit oder Funktionalität, um ein Urteil zu fällen. Jede und jeder kennt ästhetische Produkte, einen Lieblingsfilm, ein Musikstück, die tief bewegen. Obgleich die Frage nach der Präferenz höchst subjektiv ist, gibt es ein paar Erkenntnisse über die Zusammenhänge der Vorlieben.

Geteilte Wahrnehmung

Wenn unsere Vorfahren auf Nahrungssuche gemeinsam umherstreiften, war die Kommunikation über die Einschätzungen der Umwelt wichtig. Bot eine Landschaft Schutz, Nahrung, gab es womöglich Gefahren? Man konnte Bewertungen abgleichen und gemeinsame Ziele bestimmen. Und aktuell: Unsere Kommunikationspartnerinnen und -partner erfahren nicht nur etwas über die Art und Weise, wie wir etwas wahrnehmen, sondern auch darüber, wie wir die Welt sehen. Die Zusammenarbeit mit anderen ist einfacher, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ähnliche Sichtweisen haben und Einschätzungen teilen. Dies ist eine Funktion von Debatten über Kunst. Es geht darum, die eigene Position innerhalb eines kommunikativen Rahmens zu etablieren und die Positionen der anderen Teilnehmenden kennenzulernen. Indem sich Individuen einer Position zuordnen, bilden sich Gemeinsamkeiten. Dies unterstützt kooperatives Verhalten. Trotz eines hohen funktionalen Wertes einiger Produkte – dazu zählen Möbel und Kleidung – ist die Grundlage für die Entscheidung ästhetisch. Hierbei geht es um den Versuch, die Wirkung auf andere zu steuern. Mit der Auswahl der Gegenstände, die der Selbstdarstellung dienen, können intendierte Eindrücke gelenkt werden. Die Thematisierung von Schönheit und Hässlichkeit ist universell. Viele Aktivitäten wie die Ausstattung von Heim und Arbeitsplatz, von Kleidung und Frisur, von Freizeitgestaltung und Urlaub, von Lesen oder akustischer Medienrezeption werden durch ästhetische Kategorien vorgenommen.

Das Urteil über den ästhetischen Wert einer Sache ist der Introspektion meist nicht zugänglich. Es scheint nicht notwendig aus einem Wissen über Prinzipien, Proportionen, Ursachen noch der Nützlichkeit oder Funktion zu entspringen. Das Urteil fällt schnell und leicht. Zu schnell und zu leicht, als dass ein kognitiver Prozess dahinter steht. Das ästhetische Erlebnis ist affektiv, also spontan, intuitiv, es produziert Gefühle, die sehr stark sein können. Dies schließt die Kenntnis von historischen und stilistischen Einordnungen nicht aus, scheint aber auch nicht unbedingt nötig zu sein. Emotionen entstammen sehr alten Informationsverarbeitungen im Gehirn. Ein Bewusstsein darüber kann zeitaufwendig und damit kontraproduktiv für adäquates Reagieren in unbekannten Situationen sein.

Das ästhetische Gefühl hat eine große Bedeutung für die Einschätzung der Wahrnehmung. Diese Gefühle sind nicht allumfassend festgelegt. Bei der Betrachtung von Landschaften können die Interpretationen jahreszeitlich, wetterabhängig oder unter unterschiedlichen Bedürfnissen und Stimmungen jeweils anders vorgenommen werden. Die wahrnehmende Person spielt, da unterschiedliche Interessen unterschiedliche Interpretationen hervorrufen, eine Rolle. Merkmale wie Alter und Geschlecht scheinen einen Einfluss zu haben. Pierre Bourdieu (1982) sieht in der Wahl der Musik ein Mittel zur Herstellung von sozialer Distinktion. Mit der Vorliebe für klassische Musik kann man sich von weniger gebildeten Klassen abgrenzen. Doch das reicht nicht aus. Individuelle Vorlieben lassen sich damit nicht erklären.

Der beste Film aller Zeiten

Bei einer Untersuchung zur biografischen Funktion von Kinofilmen von Hoffmann und Schwender (2007) wurde eine Frage nach dem Lieblingsfilm gestellt. Die Befragten wurden gebeten, den für sie persönlich besten Film aller Zeiten zu nennen. Analysiert wurde ein repräsentatives Sample von Menschen über 50 Jahren. Hierbei ergaben sich spezifische Antworten. Ältere Frauen mögen – im Unterschied zu älteren Männern – eher Liebesfilme, Dramen, Musicals und Heimatfilme. Männer dagegen präferieren Science-Fiction, Action und Western. Für Frauen geht es um soziale Beziehungen, bei Männern eher um Konkurrenz und Hierarchie. Das ändert sich mit zunehmendem Alter. Männer verlieren mit zunehmendem Alter immer mehr den Spaß an bislang männlichen Genres und wenden sich mehr und weiblichen Filmthemen zu.

Film und Musik

Selina Flechsig und Clemens Schwender haben die Zusammenhänge zwischen Musik- und Filmpräferenzen verfolgt und weitere Korrelationen finden können. Sie fragten nicht nur nach dem Lieblingsfilm, sondern auch nach präferierter Musik. Im Durchschnitt liegen die Erscheinungsdaten nur ein Jahr auseinander, wobei jüngere Befragte eher Musik wählen, die up to date ist, und Filme, die sich im Kanon der anerkannt guten Filme etabliert haben. Ältere nehmen dafür auch manchmal Titel aus dem klassischen Musikrepertoire auf. Spannend sind die Bezüge zwischen Musik- und Film-Genres: Wer Western mag, findet auch Folk, zu dem auch Westernmusik zählt, gut. Wer Horrorfilme schaut, hört gerne Rock, zu dem Heavy Metal zuzurechnen ist. Wer Musikfilme mag, hat ein breiteres Spektrum und hört gerne Pop, Schlager und Beat, aber auch Jazz. Liebhaberinnen und Liebhaber von Komödien hören vermehrt Pop und Schlager, also eher leichtere Musikkost. Freunde von Actionfilmen fühlen sich bei Rockmusik wohl, nicht aber bei Jazz. Heimatfilme und Jazz passen ebenfalls nicht zusammen.

Filmpräferenzen lassen sich auch mit Persönlichkeitsmerkmalen zusammenbringen. Individuen mit neurotizistischen Persönlichkeitsstrukturen, also mit einer Veranlagung, empfindlich auf Anspannung zu reagieren und eher negative Affekte zu empfinden, haben eine Vorliebe für Liebesfilme und Komödien, während diese Menschen um Western und Thriller einen Bogen machen. Diejenigen, die sich als gewissenhaft beschreiben, sehen Heimatfilme gern, aber nichts, was sich dem Horror-Genre zurechnen lässt. Charaktereigenschaften bestimmen also den Filmgeschmack mit. Moralvorstellungen und Strategien, Probleme zu lösen, scheinen davon abhängig zu sein.

Geschmack und ästhetische Präferenz ist zwar sehr individuell, aber auch nicht nur zufällig. Die Forschung rund um die Themen des Geschmacks und dessen Funktionen ist noch nicht abgeschlossen. Auf den Feldern der empirischen Ästhetik gibt es noch spannende Zusammenhänge zu entdecken. Es scheint so etwas zu geben wie eine ästhetische Identität, die sich aus dem zusammensetzt, was Menschen mögen: Wie man die Haare geschnitten hat, welche Klamotten man trägt, wie das Zimmer eingerichtet ist – und wie die Musik- und Film-Sammlungen zusammengestellt sind, alles Symbole, um zu zeigen, wie man die Welt sieht, was man mag und wer man ist. Diese Identität bildet sich in der späten Pubertät bis ins frühe Erwachsenenalter und bleibt weitgehend stabil bis ins Alter. Selbst wenn sich die Geschmack durch neue Erfahrungen und neue soziale Beziehungen ändern sollte, die Musik bleibt als Referenzpunkt für Nostalgie.

Die Musik der Clique

Klaus – ein Open Haus-Besucher – erzählte: „Früher war ich einsam. Niemand hat einen ähnlichen Musik-Geschmack.“ Das hat sich im Open-Haus geändert. „Da waren dann Leute, denen es genauso ging. Und wir fanden dieselben Bands gut. Die frühen Kraftwerk-Sachen kannte sonst niemand und nun traf man sie beim Kraftwerk-Konzert in den Becker-Hallen in St. Ingbert.“

Ansonsten hörte jeder für sich alleine Musik. Platten und Kassetten zuhause oder im Radio: Manfred Sexauers Hallo Twen beim Saarländischen Rundfunk oder Frank Laufenbergs Pop Shop auf dem 3. Programm des Südwestfunk. Diese Sendungen waren superwichtig, denn hier konnte man hören, was man sich als Platte zulegen könnte.

Ob sich Kraftwerk-Fans gezielt im Open-Haus trafen oder ob sich der Geschmack parallel mit anderen entwickelt hat, lässt sich nicht sagen. Das gemeinsame Anhören der Schallplatten trug sicher zu einer Synchronisierung eines kollektiv gebildeten Musikgeschmacks bei. „Und es fühlte sich gut an, wenn wir uns samstagabends im Open-Haus trafen, um wieder neue Musik zu entdecken.“ Im Gefolge von Kraftwerk kamen dann Depeche Mode, Deutsch Amerikanische Freundschaft oder Der Plan. Kraftwerk gilt als Vorreiter von Elektronischer Tanzmusik und Techno. Die Kompositionen sind musikalisch ähnlich reduziert und bis zur Genialität einfach. Es gab das Gemeinsame in der Instrumentierung und im Sound und es gab die jeweils individuellen Spielarten der verschiedenen Bands. Die Silicon Teens und Liaisons Dangereuses habe ich beide zum ersten Mal im Open Haus gehört. 

Prof.Dr. Clemens Schwender

Literatur

Bourdieu, P.: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main 1982

Hoffmann, D./Schwender, C.: Biographical functions of cinema and film preferences among older German adults: A representative quantitative survey. In: Communications 32, 4/2007, S. 473–491

Schwender, C./Flechsig, S. : Der beste Film aller Zeiten – Persönlicher Mediengeschmack. TVdiskurs 25 (2) Jg., 2 (Ausgabe 96, 2021), S. 35-37 

Eine kleine, feine Auswahl