von Hilde Hoherz
In meiner Jugendzeit ging die Jugendzentrumsbewegung an mir vorbei. Ich verbrachte meine Jugend im katholischen Mädcheninternat (1971-1973) – mit dieser Internierung erlebte ich das Gegenteil von selbst verwalten. Ich hatte aber viel Zeit, um selbst zu denken. Da wir schon um 21 Uhr das Licht ausmachen mussten, konnte ich noch reichlich über Gott und die Welt nachdenken und zu dem Schluss kommen, dass es keinen Gott geben kann und dass wir doch nicht in der besten aller möglichen Welten leben. Vor allem verstärkte sich die Einsicht in den großen Nachteil, weiblichen Geschlechts zu sein.
Während die anderen Mädchen in die Disco gingen, mit den Jungs flirteten oder ihr Jugendzentrum selbst gestalteten und politische Fragen diskutierten, hatte ich keine Vorstellung, wie wir die Welt verbessern könnten. Ich saß in acht Quadratmeter Klosterzelle und fand es niederschmetternd, eine Jugendliche zu sein – allein in einer großen Gruppe.
Als ich eine junge Frau war, warf die Jugendzentrumsbewegung einen Strahl in meine politische Entwicklung. 1975, als ich 20 Jahre alt war und in Saarbrücken arbeitete aber noch nicht in Saarbrücken wohnte und dort weder Leute noch politische Zusammenhänge oder soziale Bewegungen kannte … 1975 landete ich in Saarbrücken auf einer Demonstration – das erste Mal in meinem Leben. Wie es dazu kam, weiß ich nicht mehr. Ich war allein unterwegs. Es war eine Pro-JUZ-Demo. Gefordert wurde die Übergabe des AOK-Gebäudes in der Försterstraße, um daraus ein Jugendzentrum zu machen. Ich hörte das Wort Jugendzentrum auf dieser Demo zum ersten Mal. Aber meine innere Stimme sagte, dass das unterstützt werden muss. Ich lief alleine unter vielen mir unbekannten Menschen. Ich war total aufgeregt und kämpfte immer wieder mit den Tränen: wegen der vielen Leute; wegen der vielen politisch aktiven Jugendlichen; wegen der Erwachsenen, die die Jugendlichen unterstützten; wegen der Polizisten; wegen der Parolen; wegen der Leute am Straßenrand; wegen des Megafons, wegen der Kundgebung in der Försterstraße vor dem AOK-Gebäude … und wegen dem Erlebnis, dabei zu sein, wenn Menschen auf die Straße gehen, um ihre Forderungen nach draußen zu tragen. Sehr aufgewühlt ging ich zum Bahnhof, um nach Hause zu fahren. Es gab keine Person, mit der ich darüber hätte reden können. Gerne hätte ich da irgendwie dazu gehört. Mir war aber auch klar, dass ich mich mit meinen 20 Jahren nicht mehr als Jugendliche fühlte. Trotzdem brachte meine Teilnahme an dieser Demonstration für mich einen Politisierungsschub. Der dürfte wohl auch dazu beigetragen haben, dass ich kurz danach „in die Stadt“ zog und in der ersten Woche nach meinem Umzug in der Frauenbewegung landete.