Kommunale Jugendbeteiligung
Erfahrungen des Verbands saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung
Ausgangslage
Kommunale Jugendbeteiligung hat Hochkonjunktur. Im Fachdiskurs, der Wissenschaft
und über alle politischen Ebenen hinweg scheint sich gerade viel zu tun. Vermutlich
noch unterstützt durch die mediale Berichterstattung über das Leiden der Jugend
unter den Corona-Maßnahmen, scheinen viele Städte und Kommunen erwacht
zu sein und junge Menschen als politische Subjekte erstmals ernsthaft wahrzunehmen.
Der vorliegende Beitrag möchte Erfahrungen des Verbands saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung (juz-united) im Rahmen kommunaler Jugendbeteiligung exemplarisch darstellen. Neben einem Exkurs zu den Potentialen selbstverwalteter Jugendtreffs für die Beteiligung und Demokratiebildung
gerade im ländlichen Raum, sollen anhand von Fallbeispielen aus den letzten
Jahren Wege gezeigt werden, wie anlass- bzw. projektbezogene Jugendbeteiligung gelingen kann. Letztlich sollen auch Grenzen kommunaler Jugendbeteiligung aus unserer Sicht aufgezeigt und kritisch reflektiert werden.
Formen der Jugendbeteiligung in Kommunen
Während der Fachdiskurs immer noch über Methoden und Wege streitet, wie jugendliche
Interessen in erwachsene Gremien einzuspeisen und damit zwei scheinbar widersprüchliche Systemlogiken zusammenzubringen wären, werden vielerorts Tatsachen geschaffen. Im Saarland erleben wir, dass die Antwort der Politik auf diese Frage sowohl auf kommunaler, als auch auf Landesebene oftmals das Einrichten von Jugendparlamenten oder Jugendbeiräten ist. Das ist aus ihrer Perspektive durchaus nachvollziehbar. Es gibt viele gute fachliche Argumente für solche institutionalisierten Formen. Sie sind auf Dauer angelegt, garantieren den Teilnehmenden klar geregelte Rechte und damit auch eine verbriefte Handlungsmacht in einem vordefinierten Rahmen und tragen deutlich zur politischen Bildung bei, indem junge Menschen sich früh mit dem parlamentarischen System und seinen Gremien vertraut machen. Gleichzeitig machen sie
es dem bestehenden System politscher Repräsentation leicht zu kooperieren, weil ihre
Form und Funktionslogik analog zu erwachsenen demokratischen Verfahren gestaltet
sind. Zudem werden so bzgl. der Partizipation Tatsachen geschaffen, die sich öffentlichkeitswirksam kommunizieren lassen.
Ob „der Jugend“ allerdings damit der Stellenwert ingeräumt wird, der ihr zusteht, ist
fraglich. Kommunalen Jugendparlamenten wird oft nachgesagt, dass sie aufgrund ihrer bürokratischen Natur und nicht wirklich jugendaffinen Form nur jene Jugendlichen
ansprechen, die ohnehin aus privilegierteren Milieus stammen. Hierzu zeigt die umfangreiche Studie von Roland Roth und Waldemar Stange zu kommunalen Kinder- und Jugendparlamenten aktuell, dass viele dieser Institutionen nicht so schlecht sind, wie ihr
Ruf vermuten lässt, es aber noch viel Raum für Optimierung gibt (vgl. Roth/Stange
2020). Die bundesweite Studie bestätigt beispielsweise, dass Jugendparlamente
nicht alle Teile „der Jugend“ repräsentieren. Schieflagen und Repräsentationsmängel
hinsichtlich der Dimensionen Geschlecht, Bildung und soziale Herkunft konnten in
den letzten Jahren zwar vermindert werden, sind aber noch deutlich vorhanden (vgl. ebd.: 28). Die Autoren fordern jedoch dazu auf, diese Schieflagen neu zu bewerten vor dem Hintergrund, dass die Repräsentationslücke in Relation zu Erwachsenenparlamenten
noch gering ausfiele. Auch seien Jugendparlamente in der Regel keine kurzfristige
Angelegenheit und ihre institutionelle Verankerung mache deutlich, dass es sich nicht
bloß um Symbolpolitik handele.
Dennoch sind die Argumente gegen institutionalisierte Formen der Jugendbeteiligung
nicht von der Hand zu weisen. Sie können für Jugendliche, die sich von entsprechenden Arbeitsweisen angezogen fühlen, ein attraktiver Baustein innerhalb einer vielfältigen kommunalen Beteiligungslandschaft sein. Allerdings sind selbst bei partizipativ angelegten Entstehungsprozessen solcher Gremien viele Antworten bereits von Erwachsenen vorgegeben und Verfahren vorstrukturiert. So gehen auch die Initiativen zur Gründung von Kinder- und Jugendparlamenten überwiegend von der politischen Spitze, den institutionellen politisch-administrativen Akteuren oder von pädagogischen Fachkräften aus und deutlich seltener von Jugendlichen selbst (vgl. ebd.: 25).
Die Empirie zeigt zudem, dass Jugendparlamente vor allem im urbanen Raum und größeren Mittelstädten verbreitet sind und zumindest bislang noch keine weit verbreitete
Partizipationsstrategie für ländliche Gebiete darstellen (vgl. ebd.: 11). Das gilt auch für ihre Verbreitung im hauptsächlich ländlich geprägten Saarland. Bis auf wenige Ausnahmen finden sich Jugendbeiräte und dergleichen eher in den wenigen städtischen oder mittelstädtischen Zentren.
Selbstverwaltete Jugendtreffs als Beteiligungsstrategie
Hier wirbt juz-united seit Jahren dafür, selbstverwaltete Jugendzentren als Beteiligungsstrategie nicht zu übersehen. Gerade im Saarland, wo diese Einrichtungsform im ländlichen Raum fast flächendeckend verbreitet ist, sodass fast jedes Dorf zumindest
über einen kleinen selbstverwalteten Jugendraum verfügt, stellen diese eine
sinnvolle Ergänzung für institutionalisierte Partizipationsformen dar. Das gilt speziell
für junge Menschen, die kein Interesse, nicht die notwendigen Voraussetzungen oder keine Kapazitäten für ein langfristiges Engagement in einem Jugendparlament haben. Jugendtreffs bieten ein aus unserer Perspektive unterschätztes Potential sowohl für reale Beteiligungschancen Jugendlicher, als auch für die Demokratiebildung.
Demokratiebildung im Jugendtreff
Im Saarland schließen sich Jugendliche zur Gründung eines selbstverwalteten Jugendtreffs in der Regel zu einem gemeinnützigen Trägerverein zusammen, der ihnen eine innere Organisationsform und eine geschlossene Außenvertretung bietet. Bereits diese Gründung, das Zusammenkommen einer organisierten, handlungsfähigen Gruppe,
die Auseinandersetzung mit Satzungs- und Organisationsfragen, die Dynamik bei der
Auswahl der Außenvertretung, der Erstkontakt mit Ortsvorsteher und Gemeindegremien
stellen sich für Jugendliche als Fülle an demokratierelevanten Erfahrungen dar.
Neben der in die Alltagsstruktur solcher Einrichtungen eingelagerten Herausforderung
zur Verantwortungsübernahme und den kontinuierlichen Aushandlungsprozessen
im Binnenverhältnis, ergeben sich durch das Engagement in Selbstverwaltung immer
wieder Anlässe, die eine Auseinandersetzung mit dem umschließenden Gemeinwesen
erfordern. Dabei werden die Binnenerfahrungen der Jugendlichen mit den Erfordernissen
der Erwachsenengesellschaft, wie den Strukturen der Kommunalpolitik, konfrontiert.
Das generiert ein eigenständiges Erfahrungsfeld, in dem die Jugendlichen
bei der Interessenvertretung gegenüber kommunalen Gremien bürgerschaftliche
Verhaltensdispositionen entwickeln.
Anlässe reichen dabei von der Gründung, bzw. der ersten Forderung nach Raum, über
Alltagskonflikte mit der Erwachsenenwelt, Gestaltungsprojekten im Sozialraum, Mitarbeit
bei der Gemeindeentwicklung, bis zum Kampf um den Erhalt bedrohter Einrichtungen.
Innerhalb selbstverwalteter Jugendtreffs entsteht dabei ein Erprobungsraum, der als besonders intensives Feld individueller Identitätsbildung erfahren wird. Dabei berichten
viele ehemals Aktive von einem schrittweisen Hineinwachsen in komplexer werdende
Beteiligungsanlässe, zunächst innerhalb des Jugendtreffs und im späteren Verlauf auch
als Jugendtreff im Sozialraum. Im relativ geschützten Rahmen der „Gesellschaft im
Kleinen“ (Sturzenhecker 2021: 1007) des Jugendtreffs ist es auch für die Jüngsten
vergleichbar schnell möglich, erstmals die eigenen Interessen gegenüber anderen zu artikulieren, nach Verbündeten zu suchen und mit widerstrebenden Auffassungen in Dialog zu treten. Findet ein Anliegen Zuspruch im Jugendtreff, kann sich die Einrichtung
dieses zu eigen machen und im Folgenden gegenüber dem externen Gemeinwesen
vertreten. Solche Berichte über das Hineinwachsen in Engagement decken sich mit den
Ergebnissen einer Untersuchung zu Partizipationsbiografien (vgl. Schwanenflügel
2015), die beschreibt, dass es sich um Aneignungsprozesse handelt, bei denen die positive Anerkennung kleinerer Einmischungsversuche von Jugendlichen dazu führt, dass
diese im Sinne einer Spirale wachsender Komplexität ihr Partizipationshandeln immer
weiter steigern und auf andere Bereiche ausweiten. Eine idealtypische Partizipationsbiografie im selbstverwalteten saarländischen Jugendtreff reicht in diesem Sinne vom ersten Putzen nach der Party über das Streiten im Plenum über Alltagsfragen wie Getränkepreise oder die Anschaffung einer neuen Musikanlage bis hin zum abendlichen Planungstreffen mit den Ortsratsfraktionen oder gar einem eigenen politischen Amt.
Diese Beschreibung mag einen romantisierten Verlauf darstellen, wird in der Praxis
allerdings immer wieder berichtet. Ein Grund dafür könnte sein, dass neben den ehrenamtlich engagierten Jugendlichen auch die Politik und die gesamte Dorfgemeinschaft von einem aktiven, mitgestaltenden Jugendtreff profitieren. Vor allem, solange es sich um konfliktarme Anlässe handelt, bei denen alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Beteiligungschancen durch den Jugendtreff
Die Jugendzentren und –treffs machen aus der Perspektive der Erwachsenen Jugend
im Sozialraum greifbar und ansprechbar. So kann auch Politik ihre Anliegen an „die
Jugend“ herantragen. Umgekehrt ist der selbstverwaltete Jugendtreff, bzw. der von
Jugendlichen organisierte Trägerverein als juristische Person ein deutlich bedeutsamerer
politischer Akteur in der Kommune, als einzelne Jugendliche oder unorganisierte
Cliquen.
Gerade in Orten, in denen der selbstverwaltete Jugendtreff über eine lange Tradition
verfügt, gehört es im Saarland oftmals zur Dorfkultur, dass der Ortsrat diese Einrichtung
als festen Kooperationspartner selbstverständlich wahrnimmt. Die Gründungshistorie
reicht dabei teilweise bis in die frühen siebziger Jahre und die Hochphase der Jugendzentrumsbewegung zurück, sodass selbst die älteren Entscheider:innen in
der Dorfgemeinschaft mit dem Engagement im Jugendtreff sozialisiert wurden.
Das sind dann auch die Standorte, die die meisten Beispiele für eine sehr gute partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und selbstverwaltetem
Jugendraum hervorbringen. Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher finden im Jugendtreff
engagierte junge Menschen, die vor allem im ländlichen Raum eine sehr gute
Repräsentation der Dorfjugend widerspiegeln. Diese an den für sie relevanten Entscheidungsprozessen zu beteiligen, wird so deutlich erleichtert. Natürlich entscheiden
Orts- und Gemeinderäte nicht über die großen gesellschaftspolitischen Fragen. Allerdings
werden die Jugendlichen regelmäßig mit einbezogen, wenn es um Fragen wie dem
Standort für ein neues Sportfeld geht, oder ob man sich bei einem Wettbewerb wie „Unser Dorf hat Zukunft“ beteiligen soll. Dann wird auch schon mal mit den Jugendlichen
zusammen der Förderantrag für die neuen Sport- und Spielgeräte oder die Gestaltung
für den neuen Rathausvorplatz formuliert. Der Jugendtreff wird aber auch angefragt,
wenn es um Arbeitseinsätze geht: Wenn der in die Jahre gekommene Dorfbrunnen neu
gestaltet oder das Dorffest geplant werden soll, oder der Jugendtreff baut sein großes
Festzelt vor der Hausarztpraxis auf, um ein lokales Impfzentrum zu gewährleisten.
Diese oft konfliktarmen Beteiligungsgelegenheiten bedingen eine ganze Reihe an
Ersterfahrungen für junge Menschen in demokratischer Interessenvertretung und
bürgerschaftlichem Engagement in ihrem direkten Lebensumfeld.
Wichtige Voraussetzung für die Qualität dieser Partizipation am Gemeinwesen
ist jedoch auch die interne basisdemokratische Organisation der Jugendtreffs. Nur
wenn diese gegeben ist, kann die Selbstverwaltungsstruktur auch als wirklich demokratische Vertretung der jungen Generation agieren. Dabei kann eine fachliche
Begleitung, die auf einem vertrauensvollen Arbeitsbündnis beruht, im Alltag der
Jugendlichen regelmäßige Anlässe zur Reflexion der eigenen Verfahren bieten.
Unserer Erfahrung nach sind die Engagierten durchweg bestrebt, ihre interne Organisation auf demokratische, auf egalitären Strukturen basierende Grundprinzipien hin auszurichten. Wege, wie sich einer solchen trotz unbewusster Cliquenhierarchien und
informeller Machtgefälle genähert werden kann, können von Fachkräften praxisnah
aufgezeigt werden. Dazu gehören bspw. die Herstellung von Transparenz von Entscheidungsprozessen, das Abhalten regelmäßiger Vollversammlungen oder das Verbessern der Kommunikation im Team.
Das heißt jedoch noch lange nicht, dass alle Mitbestimmungsbestrebungen der Jugendzentren auch gute Chancen auf Erfolg hätten. Ein großer Nachteil von Jugendtreffs
als Jugendbeteiligungsstrategie bzw. generell anlassbezogener oder informeller
Beteiligungsformate ist das Fehlen verbriefter Rechte. Während Jugendparlamente
und ähnliche Gremien oft zumindest rudimentäre demokratische Rechte wie Rede- oder
Antragsrecht garantiert haben, sind informellere Formen zwar jugendgerechter, aber gleichzeitig immer vom Wohlwollen der Erwachsenen abhängig. Kommt es also zum Konflikt mit dem erwachsenen Umfeld oder widerstreben die Interessen der Jugendlichen denen der erwachsenen Entscheider:innen, können diese sie einfach ignorieren.
Gerade in solchen Fällen ist die Begleitung und Unterstützung von Fachkräften der OJA
dringend angezeigt, um das Machtgefälle zu Gunsten der Jugendlichen möglichst gering
zu halten. Aufgabe der OJA kann dann sein, zwischen aufeinanderprallenden Welten zu
vermitteln. Einige Erfahrungen aus der Praxis anlassbezogener Beteiligungsprojekte des
Verbands sollen im Folgenden kurz skizziert und im Anschluss auf Implikationen für Handlungsoptionen der OJA diskutiert werden.
Best Practice projektbezogener Beteiligungsformen
Ein positives Praxisbeispiel für einen gelungenen anlassbezogenen Jugendbeteiligungsprozess stellt die (Neu-)Gründung des Jugendzentrums „freiRaum“ Uchtelfangen dar. Die Gemeinde verkaufte dort die Immobilie, die seit langen Jahren den selbstverwalteten Jugendclub beheimatete. Eine Gruppe Jugendlicher schloss sich daraufhin zu einer Initiative zusammen und trat an die kommunale Jugendpflege heran. Sie forderten neue Räume und baten um Unterstützung. Die Jugendpflege zog juz-united als Fachorganisation hinzu und gemeinsam wurden Pläne zum Erhalt gemacht, Strategien entwickelt und parallel ein möglicher neuer Standort gesucht.
Über ein Jahr setzten sich die Jugendlichen immer wieder für den Erhalt und die
Weiterführung des Jugendzentrums ein. Sie akquirierten Spendenmittel, organisierten
Informationsstände bei Festen, schlugen innovative Lösungen vor und traten für ihre
Interessen bei der Politik ein. Die Fachkräfte halfen beim Formulieren, organisierten
Räumlichkeiten für Treffen und begleiteten die Jugendlichen zu Gremiensitzungen.
Nachdem ein Standort für einen möglichen Neubau gefunden war, formierten sich Widerstände bei den dortigen Anwohner:innen. Sie befürchteten Lärm, Müll und ein erhöhtes Verkehrsaufkommen. Daher wurde eine Bürgerbeteiligungsveranstaltung
organisiert, zu der der Ortsvorsteher einlud und die von vielen Anwohner:innen und Politiker:innen aus dem Orts- und Gemeinderat besucht wurde.
Die Jugendlichen erhielten dort die Möglichkeit, ihr Konzept für das geplante Jugendzentrum zu präsentieren. In einer umfassenden Konzeptdarstellung erklärten
zwei Vertreter der Gruppe der Dorfgemeinschaft, wie sie die Trägerschaft und die
internen Abläufe organisieren wollten und welche Programmideen sie hätten. Außerdem
legten sie den Anwesenden dar, welche positiven Effekte für das Dorf möglich wären.
Dazu zählen eine Belebung der Dorfkultur durch Engagement bei Festen und Traditionen und die Chance auf eine verbesserte Bleibeperspektive junger Menschen in der
sehr ländlichen Umgebung durch eine engere Einbindung in die Dorfgemeinschaft.
Sie wiesen aber auch darauf hin, dass sie laut KJHG ein Recht auf Mitbestimmung
haben, wenn es um Angebote in der Offenen Jugendarbeit geht. Dieses Recht forderten
sie bestimmt ein.
Im anschließenden Dialog, moderiert vom Bürgermeister, konnten die zunächst geäußerten Bedenken mancher Anwohner:innen souverän und sachlich ausgeräumt werden. Die offene Gesprächsbereitschaft der Jugendlichen, ihre guten Argumente, das durchdachte Konzept und die enge Begleitung durch die Jugendpflege sowie zusätzlichen Support durch juz-united konnten überzeugen. Für ihr Engagement wurden die Jugendlichen abschließend noch einmal vom Bürgermeister gelobt, als dieser hervorhob, dass es sich bei ihrem Engagement in diesem Prozess um ein tolles Beispiel gelebter Demokratie handele.
Seitdem sind über drei Jahre vergangen, in denen die Jugendlichen ohne Raum dastehen. Immerhin konnte die Finanzierung eines Neubaus sichergestellt werden, indem
Gemeinde-, Kreis- und Landesmittel akquiriert wurden. Die Jugendlichen konnten gemeinsam mit einer Architektin einen Plan für die neuen Räume nach ihren Bedarfen
entwickeln. Um den Prozess weiter zu begleiten, die Jugendlichen weiterhin einzubinden
und zu erreichen, dass bürokratische Hürden möglichst zügig überwunden werden,
wurde jüngst eine Arbeitsgruppe gegründet. Diese setzt sich aus Vertreter:innen
der Jugendlichen, des Ortsrats, des Bauamts und der Jugendpflege zusammen. So sollen
Adressat:innen, Politik, Verwaltung und Fachkräfte der OJA vernetzt und „kurze
Dienstwege“ ermöglicht werden.
Auch wenn die ursprüngliche Initiativgruppe der Jugendlichen inzwischen leicht geschrumpft ist, beweisen sie bislang einen wirklich langen Atem und andauernd hohe
Motivation. Das ist nicht selbstverständlich, könnte in diesem Fall aber daran liegen,
dass der Gesprächsleitfaden nie abgerissen ist und die Gruppe weiterhin von allen erwachsenen Akteuren involviert wird. Wenn man bedenkt, wie lange es vermutlich noch
dauern wird, bis das neue Jugendzentrum errichtet ist, ist es allerdings fraglich, ob
die Jugendlichen noch etwas davon haben werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie
sich am Ende eher zu Gunsten einer nachfolgenden Generation engagiert haben, als im
Eigeninteresse.
Abgesehen von den Bearbeitungszeiträumen, die solche Projekte in der Regel leider
haben, stellt dieser Fall aus unserer Sicht ein Best-Practice-Beispiel für einen anlassbezogenen Jugendbeteiligungsprozess dar, ausgehend von jugendlichen Interessen, unterstützt durch Fachkräfte der OJA und unter Fürsprache der Politik. Der Fall kann auch exemplarisch deutlich machen, wie sich im Saarland kommunale Fachkräfte der Jugendpflege und juz-united als Dachverband an vielen Stellen sinnvoll ergänzen. Während der Verband durch seine Unabhängigkeit von Kommunalpolitik parteiisch auf
Seiten der Jugendlichen stehen und viel Erfahrung aus unterschiedlichen Gemeinden
und verschiedenen Partizipationsprojekten, die passenden Argumente, sowie die Methoden einbringen kann, sind die kommunalen Fachkräfte Expert:innen für ihre jeweiligen Gemeinden. Sie kennen die wichtigen Akteure, wissen, an welchen Stellen vielleicht auch informelle Entscheider:innen mit ins Boot zu holen sind und können insgesamt als Scharnier jugendlicher Interessen in die Verwaltung wirken, deren Teil sie selbst sind.
Wo Scheitern möglich ist
Nicht ganz so idyllisch sind die Erfahrungen aus einem Projekt des Verbands, bei dem
mit Hilfe von Jugend-Ideenlaboren versucht wurde, in einer Reihe von Gemeinden in einem partizipativen Prozess Bedarfslücken innerhalb der Infrastruktur der OJA
zu identifizieren und zu schließen und dabei gleichzeitig möglichst viele Jugendliche
zu sozialem Engagement in ihrer Gemeinde zu aktivieren. Die Ideenlabore wurden über
verschiedenste Wege bei den Jugendlichen im jeweiligen Sozialraum beworben und
sollten als modellhafte Verfahren aktivierender Jugendbeteiligung junge Menschen
als Zukunftspotential der Gemeinden in den Fokus rücken. Gleichzeitig sollte so ein
Ausgangspunkt für Partizipationsprozesse gesetzt werden, bei denen Selbstorganisationspotentiale und Einmischungsstrategien im kommunalpolitischen Raum erfahrbar gemacht werden. Die adressierten Jugendlichen sollten im Prozessverlauf einerseits ihre Perspektiven auf ihre Gemeinde artikulieren können und sich andererseits als aktiv handelnde Mitbürger:innen erfahren.
Zentrales Ergebnis dieser Ideenlabore war der klare Bedarf der Jugendlichen nach
Räumlichkeiten zur gemeinsamen Freizeitgestaltung. Ebenfalls deutlich wurde, dass
in allen Projektstandorten durch die Methode Gruppen von Jugendlichen aktiviert
werden konnten, die bereit waren, entsprechende Forderungen gegenüber den politischen Gremien zu formulieren und sich an Planung und konkreter Durchsetzung von
Jugendtreffs als Angebot für Jugendliche in den Gemeinden zu beteiligen. Diese vielversprechende Ausgangslage sollte genutzt werden, um anschließend in einer zweiten Projektphase Prozesse anzustoßen, die den Adressat:innen neue Planungs-, Gestaltungs- und Umsetzungsmöglichkeiten eröffnen.
Dies beinhaltete für die einzelnen Durchführungsorte die Initiierung von Projektgruppen
Jugendlicher und die fachliche Begleitung bei der Durchsetzung in den entsprechenden
Gemeindegremien. Parallel wurde auf die Erwachsenen eingewirkt. Es wurde versucht, die politisch Verantwortlichen, die Verwaltungen und weitere Akteure für die Bedeutung von Jugend als Teil eines lebendigen demokratischen Gemeinwesens zu sensibilisieren. Es wurde argumentiert, dass sich angesichts der spezifischen Herausforderungen des ländlichen Raums die Frage nach den Perspektiven, die Jugendliche mit ihrem Gemeinwesen verbinden, in besonderer Weise stellt. Der Politik wurde nahegelegt,
dass man Jugendliche als Zukunftspersonal des Gemeinwesens aktivieren kann,
indem sie sich aktiv an der konkreten Planung und Umsetzung des Projekts Jugendtreff in
ihrem Wohnort beteiligen können.
In einigen Gemeinden führte dieses Vorgehen zum erhofften Verlauf. So wurden z. B.
in Schaffhausen über Sozialraumbegehungen Jugendliche aktiviert, die anschließend
beim Ideenlabor teilnahmen. Die Gruppe präsentierte danach ihrem Bürgermeister
die entwickelten Ideen, wie der Jugend mehr Raum in der Gemeinde zuteilwerden
könnte. Dieser prüfte die Möglichkeiten und schlug Räume unter der Grundschule
für einen Jugendtreff vor. Die Jugendlichen, die dieser Option genau wie der Ortsrat zustimmten, fingen an, sich von juz-united zu Jugendleiter:innen ausbilden zu lassen,
um die Grundlagen der Organisation eines selbstverwalteten Treffs zu erlernen,
während der Bauhof nötige Sanierungsmaßnahmen ausführte. Danach halfen die
Fachkräfte des Verbands den Jugendlichen bei der Vereinsgründung und die Gemeinde
sorgte für eine großzügige Geldspende als Startkapital.
Leider führten bei weitem nicht alle dieser Beteiligungsprozesse zu einem so tollen Erfolg.
Während die beteiligten Erwachsenen vieler anderer Gemeinden stets betonten,
dem Projekt und den Wünschen der Jugendlichen offen gegenüber zu stehen, wurden
bald diverse standortspezifische Hürden deutlich. Verschiedenste Gründe verhinderten
in vielen Orten die Realisierung der Interessen, die die Adressat:innen bereits in den
Ideenlaboren geäußert hatten. Haushaltsnotlagen in den Kommunen waren dabei der wohl häufigste Grund für das Scheitern der Initiativen. Diese bedingen zum einen den Mangel an personellen Ressourcen in den Gemeinden, um Beteiligungsprojekte langfristig zu begleiten (z. B. im Rahmen von Fördermittelakquise, Bauanträgen, Genehmigungsverfahren etc.). Zum anderen resultieren die seit Jahren leeren Kassen darin, dass im Saarland inzwischen viele Kommunen ihre gemeindeeigenen Immobilien veräußert haben. Während früher Räume in der alten Dorfschule, der Keller des Dorfgemeinschaftshauses oder die leerstehende Dorfkneipe zu Jugendräumen umfunktioniert werden konnten, sind solche Leerstände mittlerweile vielerorts privatisiert.
Hinzu kommen politische Bedenken und Unsicherheiten bei den Akteuren. Neben einem geringen Wissen über Jugendbeteiligung und einer teilweise festzustellenden
Überforderung, schreckten Entscheider:innen auch vor einer realen Umsetzung von Plänen zurück, weil ihnen die Planungssicherheit fehlte oder befürchtet wurde, im Gemeinderat keine politische Mehrheit für die Pläne oder Gegenwind von Anwohner:innen zu bekommen.
Ein weiterer wichtiger Faktor war der gleichzeitig laufende Kommunalwahlkampf. So passierte es stellenweise, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister das Projekt
unterstützten, die Opposition dieses dann aber mit dem gegnerischen Kandidaten oder
Kandidatin assoziierten und in den Räten blockierte. Hier stellte es sich als sehr hemmend
heraus, dass in einigen Ortsteilen die kommunale Landschaft scheinbar ohnehin
durch starke parteipolitische Konfliktlinien geprägt war, was durch den Wahlkampf
noch verstärkt wurde. Rückblickend hätte hier ein weiterer Schritt vorgeschaltet werden
müssen, um zu verhindern, dass die Beteiligungsbestrebungen zur politischen
Profilierung instrumentalisiert werden. Denkbar wäre die Schaffung eines breiten
zivilgesellschaftlichen Bündnisses im Vorfeld gewesen, oder sogar das Hinauszögern
der Maßnahmen bis nach der Wahl.
Lessons learned
Aus Sicht des Verbands wurde bei diesem Projekt erneut deutlich, wie wichtig es ist,
äußerst bedacht mit jugendlichen Erwartungshaltungen umzugehen, um negative
Demokratieerfahrungen zu vermeiden. Es mag wichtig sein, ein konkretes Ziel mit jungen
Menschen erarbeitet zu haben, einer Vision zu folgen, um eine hohe Motivation und
die benötigte Ausdauer für projektbezogene Beteiligungsformen zu wecken. Gleichzeitig
sollte den Beteiligten immer klargemacht werden, dass auch Scheitern eine Option
ist. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass man noch so realistisch und transparent Erfolgsaussichten kommunizieren kann, die beteiligten Jugendlichen erlebten bei allen nicht realisierten Prozessen Frustration und Ohnmacht.
Fachkräfte sollten daher schon früh sorgfältig vorsondieren, wo mögliche Hürden
liegen und wie wahrscheinlich ein Erfolg sein wird. Das beinhaltet die Haltung der
Entscheider:innen im Sozialraum, die Realisierbarkeit der Finanzierung, das Vorhandensein von Ressourcen uvm.
Dabei kann die Gelegenheit genutzt werden, auch die Vertreter:innen von Politik
und Verwaltung auf die Jugendlichen vorzubereiten. Es muss immer wieder betont
werden, wie wichtig ein Austausch auf Augenhöhe ist. Den Erwachsenen sollte klar sein, dass Jugendliche ein feines Gespür dafür haben, ob sie ernst genommen werden,
oder ihre Anliegen angehört, aber dann adultistisch abgetan werden.
Aufgabe begleitender Fachkräfte sollte es auch sein, deutlich zu machen, dass es sich
trotz allem lohnt, sich für die eigenen Interessen einzusetzen. Auch kleinere Erfolge
und Meilensteine auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel dürfen gefeiert und bewusst anerkannt werden. Das steigert die Motivation und die Selbstwirksamkeitserfahrung.
Und selbst bei perfekt geplanten und möglichst geebneten Wegen, kann es zu
unvorhergesehenen Hürden kommen, die schwer zu nehmen und schwer zu beeinflussen
sind – seien es bloß die immensen Bearbeitungszeiträume innerhalb von Politik und Verwaltung.
Im schlimmsten Fall, wenn Jugendliche sich mit viel Herzblut und Aufwand engagiert
haben und dennoch alles zu scheitern droht, ist es umso wichtiger, diese Erfahrung
aufwendig fachlich aufzufangen und mit den Beteiligten gemeinsam aufzuarbeiten.
Erfolgreiche Durchsetzung in der realpolitischen Arena
Die beschriebenen Praxisfälle und weitere Erfahrungen des Verbands mit Jugendbeteiligungsprojekten zeigen ein ähnliches Muster auf. Viele Jugendliche möchten sich beteiligen. Sie sind bereit, sich für ihre eigenen Interessen oder auch für gemeinwohlorientierte Anlässe zu engagieren, auch wenn das bedeutet, sich mit Gremienarbeit und Kommunalpolitik auseinanderzusetzen. Politisch Verantwortliche zeigen sich in der Regel auch offen für eine bedingte Mitsprache der Jugendlichen.
Viele der nicht erfolgreichen Beteiligungsprozesse scheitern allerdings in dem Moment, in dem die Mitwirkung einen zuvor pädagogisch abgegrenzten Möglichkeitsrahmen
verlässt und droht, realpolitische Konsequenzen zu haben. Hier also z. B. in dem Moment, in dem aus einem Jugend-Ideenlabor eigenwillige Pläne resultieren, die den Amtsinhaber:innen nicht in die Agenda passen.
Lindner (2022) spricht von „Zonen des (sozial)pädagogischen Wohlwollens“, in denen
demokratisches Engagement geduldet und erwünscht ist. Mitsprache werde hier aber allenfalls in Form von funktionaler Beteiligung betrieben, der er unterstellt, als Endziel lediglich die Beschaffung von Akzeptanz für Entscheidungen zu haben, die eigentlich bereits von ressourcenstärkeren Akteuren getroffen wurden. Sobald Jugendbeteiligung
jedoch in die Sphäre harter Realpolitik gelangt und dann womöglich finanzwirksam zu werden droht, bzw. in Konkurrenz oder Konflikt mit anderen Interessen steht, werden die Erfolgsaussichten deutlich geringer. Auch für Jugendparlamente und –beiräte ist das ein entscheidender Punkt, auch wenn diese institutionalisierten Formen mit ihren garantierten Rechten einen bedingten Vorteil haben.
Die romantischen Vorstellungen des demokratischen Dialogs zwischen Jung und Alt und des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments scheinen hier nicht zu bestehen. Dafür haben die Positionen junger Menschen zu wenig gesellschaftliches Gewicht, sind sie mit zu wenig Kapital ausgestattet. Und auch Fachkräfte der OJA als Verbündete sind nicht immer ideale Fürsprecher:innen, sind sie doch zu oft mehr oder weniger von den staatlichen Akteuren abhängig, gegen die es sich durchzusetzen gilt.
Aus unserer Perspektive muss die fachliche Debatte rund um kommunale Jugendbeteiligung genau hier eine Lösung finden. Es sollte nicht die Frage nach der Form der Beteiligungsstrategien von informell über projektbezogen, unkonventionell aktionistisch bis eingehegt institutionalisiert im Zentrum stehen. Diese sollten sich idealerweise gegenseitig bedarfsgerecht ergänzen. Vielmehr sollten Strategien gesucht werden, wie wir – unabhängig von der konkreten Form der Mitwirkung – eine Verbindlichkeit herstellen, die sicherstellt, dass jugendliche Interessen trotz ihrer strukturellen Machtarmut auch in der direkten Auseinandersetzung mit der Erwachsenenwelt außerhalb der vordefinierten Spielwiesen der Mitwirkungsprojekte
bestehen können. Wünschenswert wäre eine Fachpraxis, die auch scheinbar störende
jugendliche Beteiligungs- und Einmischungsvorhaben ermöglicht, wo immer sie
intrinsisch motiviert aufkommen, und nicht bloß dort und in den bescheidenen Grenzen,
die zuvor von Erwachsenen paternalistisch gewährt wurden.
Will die OJA diese Rolle allerdings perspektivisch ernsthaft annehmen, braucht es
einen ernstgemeinten Diskurs über das Verhältnis zur Politik und staatlichen Institutionen.
Es ist fraglich, ob Jugendarbeiter:innen im konkreten Einzelfall nicht nur willens, sondern auch in der Lage sind, parteiisch mit ihren Adressat:innen gegen die Widerstände in Politik und Verwaltung zu kämpfen, von denen sie abhängig sind. Sich selbstbewusst
und streitbar zu positionieren, kann je nach Stellenprofil und Rahmenbedingungen schwierig sein. Die enge Kooperation zwischen kommunalen Fachkräften, die in der Verwaltung angesiedelt sind, und einem unabhängigeren, von Jugendlichen mandatierten Jugendverband, wie sie im Saarland an vielen Stellen im Kontext der selbstverwalteten Jugendzentren funktioniert, kann als vielversprechender Ansatz bei der Bearbeitung dieses Spannungsverhältnisses betrachtet werden.
Autor
Tobias Drumm,
B. Ed., Stellvertretender Geschäftsführer des Verbands saarländischer Jugendzentren in
Selbstverwaltung e. V. (juz-united).
www.juz-united.de
Literatur
Lindner, W. (2022): Demokratie-Illusionen (in) der Kinder- und Jugendarbeit. In: Deutsche Jugend. Zeitschrift für die Jugendarbeit. Jg. 70, Nr. 5 (219 – 228). Weinheim: Beltz Juventa.
Roth, R. / Stange, W. (2020): Starke Kinder- und Jugendparlamente. Kommunale Erfahrungen und Qualitätsmerkmale. Berlin: DKHW.
Schwanenflüger, L. von (2015): Partizipationsstrategien Jugendlicher. Zur subjektiven Bedeutung von Partizipation im Kontext sozialer Ungleichheit. Wiesbaden: Springer VS.
Sturzenhecker, B. (2021): Förderung gesellschaftlich- demokratischen Engagements in der
Offenen Kinder- und Jugendarbeit. In: Deinet, U. /Sturzenhecker, B. / von Schwanenflügel, L. /Schwerthelm, M. (Hrsg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. 5. Auflage, Band 3 (S. 1001 – 1015). Wiesbaden: Springer VS.