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Verband saarländischer Jugendzentren in Selbstverwaltung e.V.

von Stefan Brenner

Einen Rekord hat das Jugendzentrum Schaumberg in Sotzweiler mit Sicherheit gebrochen. Es war mit geschätzten 50 m² Grundfläche bestimmt das kleinste Juz im Saarland der 80er Jahre. Vielleicht sogar das kleinste Juz bundesweit… Aus heutiger Sicht mag die überschaubare Größe als gravierender Nachteil erscheinen, doch die Sache hatte auch ihre Vorzüge. Alle Partys, die damals stattfanden, waren stets gut besucht – auch wenn nur 20 Leute anwesend waren. Die „Bude“ war immer voll und die Stimmung entsprechend gut. Außerdem waren wir damals froh, überhaupt einen Treffpunkt zu haben, in dem wir unsere Ideen und Wünsche umsetzen konnten, Musik hören, feiern und tanzen konnten, ohne dass jemand uns bevormundet hätte. Gedanken darum, dass das Juz eventuell zu klein sei, machten wir uns nicht…

Fährt man durch Sotzweiler, so springt einem die Kirche ins Blickfeld. Etwas weiter  oberhalb steht die ehemalige Grundschule, heute befindet sich darin der Kindergarten. Und im Untergeschoss dieses Gebäudes, sozusagen zwischen Kirche und Schule, befand sich das Juz – mitten im Ort also. Als ich ca. 1984 zum ersten Mal dazu kam, bestand das Juz in den Räumlichkeiten schon länger. Mir wurde damals erzählt, dass die Gründung auf eine Initiative zurückging, die sich in der 70er Jahren zusammenfand (wann sonst?) und zunächst als Verein ohne Räumlichkeiten agierte. Vereinsziel war die Einrichtung eines selbstverwalteten Jugendzentrums im Dorf, das für jede/n offen war und Raum zur freien und gemeinsamen Selbstverwirklichung bot. Schätzungsweise Anfang der 80er Jahre war es dann soweit, die Gemeinde Tholey überließ der Initiative zwei  zusammenhängende Räume im Keller der Grundschule in Sotzweiler. Ganz uneigennützig war diese Überlassung nicht, denn wir mussten dafür eine Nutzungspauschale an die Gemeinde entrichten. Die war zwar relativ gering, aber für einen Verein, der sich nur über Mini-Mitgliedsbeiträge und sehr überschaubare Zuwendungen vom Landkreis St. Wendel finanzierte, war jede noch so kleine Ausgabe eine Belastung.

Wie sah das Juz aus?

Auf dem Parkplatz vor der Schule fiel das Leuchttransparent mit den drei Buchstaben „JUZ“ in den Blick. Ohne dieses Schild hätte es leicht passieren können, dass das Juz übersehen worden wäre. Die schmalen, schlauchartigen Räumlichkeiten wiesen lediglich eine Eingangstür an der Frontseite und ein direkt daneben liegendes Fenster auf, durch das ab und zu etwas Tageslicht drang. Der Parkplatz vor der Tür füllte sich bei Veranstaltungen in der nahegelegenen Mehrzweckhalle oder anlässlich der damals noch regelmäßig stattfindenden Gottesdienste. Außerhalb dieser Zeiten standen die Autos, Mopeds und Fahrräder der Juzler/innen vor der Tür. Im Sommer kam es auch vor, dass Stühle nach draußen getragen wurden und die Aktivitäten des Juz kurzerhand im Freien stattfanden. Mangels direkter Nachbarschaft von Wohnhäusern war der Lärmpegel im bzw. vorm Juz (fast) kein Problem – ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Betrat man das Juz durch die unauffällige Eingangstür, befand man sich aufgrund der überschaubaren Größe mitten im Zentrum des Geschehens. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn rechts neben der Eingangstür stand ein hoch geschätzter Bestandteil  des Juz, an dem früher oder später niemand vorbeikam, egal ob Männlein oder Weiblein: Der Kicker 

Um es gleich klarzustellen, es handelte sich nicht um eine Ausgabe einer Fußballzeitschrift, sondern um ein massives Tischfußballspiel, das gut und gerne zentnerschwer war. Lediglich freitags von 19 Uhr bis ca. 20 Uhr war der Kicker wegen der dann stattfindenden Sitzungen tabu. Außerhalb dieser Zeit wurde er rege genutzt, hin und wieder fanden sogar interne Kicker-Turniere statt.
Neben dem Kicker, längs an der rechten Wand, stand die Theke, aus Holz und selbst gebaut, sozusagen das Herz des Juz. Vor allem Getränkekisten wurden darunter gelagert, er beherbergte zudem einen Kühlschrank, die Kasse und nicht zuletzt in einem aufgesetzten Regal die Stereo-Anlage, die neben dem Kicker für die alltägliche Unterhaltung sorgte. Auf der Theke stand das Telefon, ein graues Modell mit Wählscheibe – es waren die 80er Jahre und Handys gab’s noch nicht. Gegenüber, an der linken Wand, standen Bistrotische mit Hockern.

Fast nahtlos ging es in den zweiten, hinteren Teil des Juz, in dem sich an drei Wänden gemütliche Sofas befanden, in der Mitte ein Couchtisch und in den Ecken kühlschrankgroße Boxen der Marke Eigenbau, die viele Partys überstehen mussten. Ein kleiner Abstellraum und eine (!) kleine Toilette gingen vom hinteren Raum ab. Bei Partys wurden die Sofas und der Tisch weggeräumt und wir hatten eine veritable Tanzfläche. Wenn dann noch jemand eine Lichtorgel von zu Hause mitbrachte, ging im Juz der Pank ab.

Name

Zur Zeit des Bestehens des Juz Schaumbergs – also grob gesagt in den 80er Jahren – gab es in der Gemeinde Tholey keine weiteren Juz‘en. Andere Juz’en im Kreis St. Wendel, mit denen wir im lockeren Kontakt standen, waren in Oberthal-Gronig, in Marpingen und in Urexweiler. Die Juz‘en in Lebach und in St. Wendel bestanden zu der Zeit meines Wissens nach nicht mehr. Das Juz Schaumberg stellte also einen Anziehungspunkt für Jugendliche und junge Erwachsene aus der näheren und weiteren Umgebung dar. Juzler/innen kamen nicht nur aus Sotzweiler, sondern auch aus Thalexweiler, Bergweiler, Theley und Tholey, Freunde der Juzler/innen aus Lebach, Eppelborn und anderen, weiter entfernten Orten. Und aufgrund der damals guten Vernetzung besuchten wir auch regelmäßig die anderen Juz‘en im Kreis St. Wendel bzw. diese besuchten uns. Daraus entwickelten sich auch gemeinsame Veranstaltungen wie z.B. Freizeiten. In einer Zeit vor der Erfindung des Internets und des Handys war dieser Austausch wichtig, sei es, um Leute kennenzulernen oder um mal über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Sitzung

Freitags um 19 Uhr war Jour fixe im Juz, denn zu diesem Zeitpunkt fand die wöchentliche Sitzung statt. Korrekt müsste man von einer Mitgliederversammlung sprechen, in die eine Sitzung des Vereinsvorstands eingebunden war. Wie es sich für einen basisdemokratisch organisierten Verein gehört, waren die Sitzungen immer öffentlich und alle – ob Vereinsmitglied oder nicht – konnten und sollten teilnehmen. Abstimmberechtigt waren nur Mitglieder, was wiederum einen Anreiz dazu bot, das Juz nicht nur als Freizeitstätte zu nutzen, sondern auch aktives Vereinsmitglied zu werden und mitzubestimmen.

Gut erinnere ich mich noch bei den freitäglichen Sitzungen an den Tagesordnungspunkt „Motz & Lob“, bei dem ausnahmslos alle ihr Fett wegbekamen. Egal, was organisiert, gemacht oder auch nicht gemacht wurde, immer gab es Kritiker/innen und Befürworter/innen. Und die Kritik ging oft in umfangreiche Diskussionen über, die nicht selten später fortgesetzt wurden und manchmal einer „Mediation“ durch Dritte bedurften. Dies übernahmen in der Regel weniger erhitze Gemüter oder auch der Sozialarbeiter vom Kreisjugendamt St. Wendel. Dessen Aufgabe war es, regelmäßig an unseren Sitzungen teilzunehmen und uns beratend zu unterstützen. Seine Ratschläge und Hilfe waren lösungsorientiert und nie mit erhobenem Zeigefinger, was ihm viel Sympathie unter den Juzler/innen einbrachte. Entscheidungen wurden ohnehin allein von der Mitgliederversammlung getroffen und umgesetzt. Unsere Sitzungen waren oft lang, manchmal anstrengend, meistens konstruktiv, endeten hin und wieder im Streit, waren aber immer basisdemokratisch.

Heute hört es sich vielleicht seltsam an, dass wöchentlich planmäßig diskutiert wurde, aber für uns war das damals ein wichtiger Bestandteil der Organisation des Juz und des Miteinanders. Probleme, Unzufriedenheiten usw. wurden nicht auf die lange Bank geschoben, sondern kamen kurzfristig zur Sprache, jede/r konnte seine Meinung äußern und es wurde (meist) schnell gehandelt.

Nicht ganz unwichtig war, dass nach den Sitzungen quasi das Wochenende anfing und wieder gequatscht, gekickert, getanzt oder gefeiert werden konnte…

Finanzen

Die Finanzierung des täglichen Betriebs des Juz stand auf zwei Füßen: Es gab eine jährliche Zuwendung aus einem Topf des Landkreises St. Wendel und es wurden  monatliche Mitgliedsbeiträge erhoben. Letztere lagen bei einer D-Mark oder später bei einer Mark fünfzig im Monat. Ein geringer Beitrag nur, aber es sollte sich jede/r leisten können, Mitglied im Juz zu werden. Bei geschätzt vierzig bis fünfzig zahlenden Mitgliedern kamen so im Jahr zwischen 500,- bis 700,- D-Mark zusammen – was für den Betrieb natürlich nicht ausreichte.

Den Löwenanteil des Budgets stellten die jährlichen Zuwendungen des Landkreises St. Wendel dar, die zu Beginn meiner aktiven Juz-Zeit bei ca. 3.000,- DM lagen und gegen Ende der 80er Jahre auf rund 6.000,- DM anstiegen. Um diese jährliche Zuwendung zu erhalten, musste am Jahresende ein Nachweis über die Ausgaben erbracht werden. Grundlage dafür waren ein gut geführtes Kassenbuch, in das alle Einnahmen und Ausgaben eingetragen wurden sowie die Belege der Ausgaben. Hört sich einfach an, heute, wo es Excel usw. gibt. Gab es in den 80er aber noch nicht, eine/n Steuerberater/in konnten wir uns nicht leisten und mussten alles selbst und von Hand mit überdimensionalen Taschenrechnern erledigen. Und dann auf einer Schreibmaschine alles fein säuberlich auflisten. Wenn ein Fehler unterlief, musste alles nochmal von vorne… Zum Jahresende ein Haufen Arbeit für Kassenwart/in und Helfer/innen. Der Job Kassenwart/in war auch nicht unbedingt der beliebteste bei den jährlichen Wahlen zum Vorstand. Aber offensichtlich wurde diese Arbeit gut erledigt, die Zahlungen vom Landkreis St. Wendel flossen und stiegen auch kontinuierlich an.

Wie bei vielen öffentlichen Zuwendungen damals wie heute war das Kuriosum, dass nach dem Abflussprinzip gefördert wurde. Das hieß, je mehr Geld wir im Vorjahr ausgaben, umso mehr Geld bekamen wir im Jahr darauf von Landkreis. Wir waren also dazu verdammt, mehr Geld auszugeben, als wir hatten – und das gelang uns tatsächlich! Zusätzliche Einnahmen durch Partys, Eintrittsgelder von Filmvorführungen usw. ermöglichten auch weitere Ausgaben für Anschaffungen. Wobei wir natürlich bei einem Jahreshaushalt von 3.500,- DM bis 6.500 DM jeden Pfennig zweimal umdrehen mussten, jede Ausgabe umfangreich und kontrovers diskutierten und am Ende darüber abgestimmt wurde, was jetzt anzuschaffen sei.

Erschwerend kam hinzu, dass wir durch einen Vertrag mit der Gemeinde Tholey – wie andere Vereine auch – dazu verpflichtet waren, Getränke bei einem Lieferanten zu kaufen. Der belieferte auch alle von der Gemeinde betriebenen Sportstätten usw. Was an sich keine schlechte Sache war, bis und auffiel, dass die Preise des Lieferanten doch nicht so günstig waren, vor allem bei den nichtalkoholischen Getränken. Es dauerte einige Diskussionen mit Gemeinde und Bürgermeister in Tholey, bis wir aus diesem Vertrag ausscheiden konnten und die Getränke dort kaufen konnten, wo wir wollten bzw. wo sie günstig waren.

Wie bereits erwähnt, mussten wir auch eine Nutzungspauschaule für die Räume an die Gemeinde abtreten. Auch hier bedurfte es einiger Überzeugungsarbeit im Rathaus, bis uns auch diese Belastung abgenommen wurde. Ich erinnere mich noch gut an die – gelinde gesagt – angespannte Atmosphäre bei der Diskussion im Zimmer des Bürgermeisters. Aus heutiger Sicht in der Sache wirklich lächerlich, für die Gemeinde Peanuts, wenige hundert Mark, aber für uns eine gewichtige Ausgabe weniger. Seine Unwilligkeit ließ uns der Bürgermeister deutlich spüren, sicher auch in der Gewissheit, dass wir nicht zu seinen Stammwählern gehörten. Aber am Ende ließen wir uns nicht  unterkriegen, bekamen, was wir wollten und das zählte. Nur am Rande sei erwähnt, dass der damalige Bürgermeister der Gemeinde Tholey nicht der größte Anhänger der Jugendzentrumsbewegung war – ein Umstand, mit dem wahrscheinlich nicht nur wir zu kämpfen hatten.

Aktivitäten

Je nach Interessenlage gab es Arbeitsgemeinschaften (AG‘s). In der Sport-AG wurde z.B. regelmäßig Volleyball gespielt, am Sonntagnachmittag stand uns die nahe gelegene Sporthalle dafür zur Verfügung. Gelegentlich wurde auch Fußball in der Halle gespielt, je nach dem, wer gerade worauf Lust hatte. Wobei es meist an Bällen und/oder Trikots mangelte. Eine lange Diskussion mit viel Überzeugungsarbeit führte schließlich dazu, dass uns der damalige Ortsvorsteher von Sotzweiler tatsächlich einen Fußball und einfache Trikots zu Verfügung stellte. Immerhin schaffte es die Fußball-AG, am jährlichen „Unser Dorf spielt Fußball“ teilzunehmen. Sehr zur Verwirrung des lokalen „Stadionsprechers“ gab sich unsere Fußball-AG Namen wie „United Underground“ oder „Pangalaktische Donnergurgler“, was bei jeder Ansage für Heiterkeit unterm Publikum sorgte. Trotz ihrer allgemeinen Beliebtheit landete die Juz-Elf auf der hinteren Plätzen… Ein paar Flaschen Sekt gab’s trotzdem, wenn ich mich nicht irre.

Die Koch-AG zauberte exotische und manchmal auch weniger exotische Speisen auf den Tisch. Einige Zutaten mussten extra in Saarbrücken besorgt werden, wie z.B. die scharfen Chili-Schoten für eine „tibetanische Mönchsspeise“, an die ich mich noch sehr lebendig erinnere. Insbesondere an den extrem stark gestiegenen Getränke-Konsum nach dem Verkosten dieses höllisch scharfen Gerichts. Damals lernte ich, dass Brot nach scharfem Essen besser ist als Wasser. Und nicht nur ich… Heute kann man die „exotischen“ Zutaten in jedem Supermarkt um die Ecke besorgen, scharfes Essen ist keine Besonderheit mehr.

Egal, was gekocht oder zubereitet wurde, es stand nur ein kleiner mobiler Elektroherd mit zwei Platten vom Typ „Maybaum Junggesell“ aus den 50er/60er Jahren zur Verfügung. Und darauf wurde für zehn bis fünfzehn „Gäste“ gekocht. Man brauchte also gute Ideen und große Töpfe bzw. Pfannen. Kritik ließ auch nicht lange auf sich warten, wenn die Köche/innen mal daneben lagen. Im Falle der „Mönchsspeise“ wurde jedoch nur die leicht übertriebene Schärfe bemängelt. Wir hatten damals Glück, dass niemand den Notarzt rufen musste… Schön und lustig war das gemeinsame Kochen und Essen immer, alleine schon wegen der Kommentare.

Ihre S/W-Fotos präsentierten die Mitglieder der Foto-AG an den Wänden des Juz. Entwickelt und vergrößert wurde im privaten Labor eines Juzlers, Kameras wurden von anderen Juzler/innen ausgeliehen, Rahmen für die Bilder wurden in Eigenregie gebaut. Mit geringen finanziellen Mitteln (für Filme, Fotopapier, Chemie, Holz, Glas etc.) konnte sich so jede/r im sonst eher teuren Metier der Fotografie probieren – Digitalkameras,  Speicherkarten und Bilddateien waren damals noch Zukunftsmusik.

Ein Highlight war die Film-AG. Das Juz besaß nämlich einen 16mm-Tonfilmprojektor, Anfang der 80er Jahre eine Ansage in Sachen Heimkino – die Video-Manie steckte noch in den Kinderschuhen. Man konnte bei der „Landesbildstelle“ in St. Wendel Spielfilme auf 16mm ausleihen, vermutlich kostenlos. Auf eine Dia-Leinwand projiziert, ergab sich so in unserem Juz so etwas wie Kino-Atmosphäre. Und die Filme waren schon etwas Besonderes: An „Adel verpflichtet“ und „Ladykillers“ mit Alec Guiness erinnere ich mich noch, ebenso an „Der Blaumilchkanal“ von Ephraim Kishon und an Monty Python. Das Juz war dann immer voll, meist hatten wir zu wenig Stühle. Heute würde man damit niemanden mehr vom Handy weglocken, aber für uns war das damals im wahrsten Sinne des Wortes großes Kino im kleinen Juz. Die Atmosphäre der Film-Abende hatte etwas Magisches, was man sich heute nur noch schwer vorstellen kann.

Freizeiten

Große Freizeiten im Ausland waren Sache des VSJS. An einigen davon nahmen auch Juzler/innen vom Juz Schaumberg teil. Wir selbst organisierten kleinere Freizeiten im Umland, die problemlos mit Auto bzw. Moped zu erreichen waren.
Eine davon fand 1984 in Steinberg-Deckenhardt (bei St. Wendel) statt. Für ein paar Tage waren wir in den dortigen zeltförmigen Waldhütten einquartiert. Diejenigen Juzler/innen, die aufgrund von Arbeit, Schule oder Studium nicht ganztägig dabei sein konnten, kamen je nach Möglichkeit nachmittags oder abends zu Besuch, brachten andere mit, feierten mit oder übernachteten, um sich morgens wieder auf den Weg zu machen. So kam es, dass während der Woche der Freizeit fast alle Juzler/innen mit dabei waren und wir eine tolle Zeit in dem sehr naturnahen Camp hatten. Alles wurde gemeinsam gemacht – Kochen, Sport, Spaziergänge, Musik hören, Grillen, Feiern, Tanzen… Es war die Zeit, als Queen einen Hit hatte, der bei uns gefühlt zwanzig Mal am Tag lief: „all we hear is Radio Ga Ga…“ Bei dieser Freizeit lernten wir eine Kindergruppe und deren Betreuer/innen aus dem Raum Saarbrücken kennen. Man lud sich gegenseitig ein, spielte, kochte oder machte gemeinsam Sport. Später besuchten uns die Jugendlichen mit ihren Betreuer/innen im Juz (s. Foto).

In Niederwörresbach bei Idar-Oberstein fand eine weitere Freizeit statt, die gemeinsam mit dem Jugendzentrum Marpingen oder Urexweiler durchgeführt wurde. Organisiert werden musste unter anderem, wer mit wem fährt und wie viele Leute mit Gepäck in ein Auto passten – nicht anders als heute auch. An Niederwörresbach habe ich nur schwache Erinnerungen, weiß jedoch noch, dass ich nicht der einzige Teilnehmer war, der sich  darüber wunderte, dass wir in einem Pferdehof einquartiert waren. An sich keine schlechte Sache, nur wenn man gegen Pferdehaare allergisch ist, eher suboptimal. Und wie gesagt: Ich war nicht der einzige mit diesem Problem. Schlechte Organisation, auch mea culpa… Dann fuhr noch ein Teilnehmer gegen das Auto des Vermieters – alles in  allem eine eher durchwachsene Freizeit, so etwas passierte auch mal… Aber mit den Leuten vom anderen Juz hat es trotzdem Spaß gemacht. Neue Leute, neue Themen, neue Musik… 

Ein weiterer Höhepunkt der Freizeiten war die Fahrt nach Berlin ca. 1985. Gefühlte zwanzig Stunden war der Bus unterwegs, mit abenteuerlicher Einreise in die DDR und anschließend wieder aus der DDR. Diese Freizeit wurde von mehreren Juz‘en im Kreis St. Wendel organisiert. In Berlin waren wir damals auf Flohmärkten, kauften Second-Hand-Kleidung, zogen abends um die Häuser und machten zähneknirschend die obligatorische Infoveranstaltung für jugendliche Berlin-Reisende mit. Soweit ich mich erinnere, wurden Jugendgruppenreisen nach West-Berlin vor 1989 subventioniert, dafür musste man sich einen Vortrag über West-Berlin bzw. die deutsche Teilung anhören. Dieser Vortrag war  am Morgen, auch ein Grund dafür, warum sich das Interesse daran in Grenzen hielt.

Kindergruppe aus Saarbrücken mit Betreuer/innen und Juzler/innen.

Umsonst & draußen

Für Jugendliche (und andere) mit wenig Geld eine tolle Erfindung, das U&D. Coole Musik, coole Leute, coole Atmosphäre. Und das alles für lau. Da mussten wir natürlich auch mitmachen, nicht nur einmal, sondern gleich zweimal organisierten wir ein U&D. Und zweimal sind wir dann auch prompt auf die Schnauze gefallen. Umsonst war nur der Eintritt, die Bands bekamen natürlich Gagen oder zumindest so etwas wie Aufwandsentschädigungen – auch wenn sie nur einem kleinen Publikum bekannt waren und heute völlig vergessen sind. Und Pacht für die Wiesen, auf denen unsere U&D’s stattfanden, mussten wir auch bezahlen. Ebenso Miete für die Bühne und die PA. Diese Ausgaben über den Verkauf von Getränken und kleinen Speisen wieder hereinzuholen, ist uns wiederholt nicht gelungen. Im Fall des U&D auf dem Schaumberg machte uns das Wetter einen fetten Strich durch die Rechnung. Da konnte noch so viel umsonst und draußen sein, es kam schlichtweg keine/r. Beim anderen U&D auf einer Wiese bei Theley waren wohl zu viele andere Veranstaltungen parallel zu unserer, zu wenig plakatiert oder die Leute hatten einfach keine Lust. Bei beiden U&D’s machten wir richtig Miese. Mit einem knappen Budget war so etwas ein massives Problem, unsere weitere Existenz war bedroht. Trotzdem waren wir mit Enthusiasmus und Engagement dabei, viele Juzler/innen halfen und stellten ihre Zeit und Arbeitskraft zur Verfügung, was uns am Ende noch mehr zusammenschweißte. Die Diskussionen waren natürlich auch wieder heftig, was hätte man anders machen können oder müssen usw. Am Ende entschieden wir uns dazu, eine oder mehrere Partys im Juz zu organisieren, ordentlich Leute einzuladen, die Preise etwas anzuheben und durch diese zusätzlichen Einnahmen den Verlust zu kompensieren und weniger auszugeben. 

Mottofeten

Einmal pro Jahr veranstalteten wir im Juz Schaumberg Partys, die unter einem bestimmten Motto standen. Zu den Arbeiter-und-Bauern-Feten kamen die Juzler/innen in abgetragenen Klamotten, es gab nur Bier und Wodka als alkoholische Getränke, einfaches Essen und die Musik war eher bodenständig. Für viele war der Wodka dann doch nicht das richtige, was sich meist erst am nächsten Morgen herausstellte.

Ganz anders gestalteten sich dagegen die Cocktail-Feten (s. Foto). Viele Juzler/innen putzten sich fein raus, teils mit geliehenen Klamotten, es lief ausgesuchte Musik, zu der entsprechend getanzt wurde. Und wie der Name schon erahnen lässt, wurden feinste Cocktails gemixt und geschlürft, auch die angebotenen Speisen waren zum Motto passend. Alle trugen etwas dazu bei, sei es durch ein besonderes Essen, durch auffällige Kleidung oder durch gute Musik (auf Platte oder Kassette) und jede/r versuchte, sein Bestes zu geben. Entsprechend gut war die Stimmung unter den Leuten. Und wenn dann zwischendurch eine Tour durch die damals noch vorhandenen Kneipen in Sotzweiler gemacht wurde, war dies mit einem großen Hallo in den Kneipen verbunden.

Ein Höhepunkt der Feten war Fastnacht 1984. Vom fetten Donnerstag bis Aschermittwoch war das Juz das Partyzentrum in Sotzweiler – ungeplant. Damals fanden in den Sporthallen in Sotzweiler und in den umliegenden Orten an Fastnacht noch die so genannten blauen oder schwarzen Nächte mit Bands, Alkohol und vielen Besuchern aus der Region statt. Irgendwie schafften wir es, mit guter Musik, guter Stimmung und viel Mundpropaganda, dass Leute, die in die Hallen wollten und das Juz sonst eher nicht kannten, zu uns kamen und blieben. Der Laden war über Tage hinweg sozusagen „gerammelt“ voll. Was zur Folge hatte, dass wir den Thekendienst mit Verkauf der Getränke neu organisieren und zeitlich ausweiten mussten, schnell für Nachschub an Getränken und Knabbereien sorgen mussten, das Juz früher öffneten, später schlossen und das Putzen nicht vergaßen. An Polizeistunde war damals nicht zu denken. Manche Juzler/innen kamen zu der Zeit kaum zum Schlafen, weil sie neben dem Feiern mit der weiteren Organisation der Fete beschäftigt waren. Aus einer kleinen Party, die für einen oder zwei Tage geplant und organisiert war, wurde eine Mammut-Fete von Donnerstag bis Mittwoch. Dies war nur möglich, weil alle Juzler/innen mitgemacht haben und sich niemand zu schade war, zu organisieren, zwischenzeitlich einzukaufen und Thekendienst  zu schieben. Finanziell war diese unerwartete Dauer-Fete ein voller Erfolg für uns. Die sonst eher klamme Kasse war gut gefüllt. Am Aschermittwoch saßen wir abends alle ausgebrannt auf der Tanzfläche (die Sofas waren noch nicht wieder eingeräumt), resümierten die Tage, waren völlig fertig und freuten uns über diesen Erfolg. Nebenbei mussten wir ja noch arbeiten, zur Schule bzw. zur Uni gehen.

Juzler/innen bei der Cocktailfete, Autor zweiter v.l. mit Hut und Sonnenbrille.

Wer waren wir?

In den 80er Jahren waren die Möglichkeiten, die Freizeit in einem kleinen Ort wie Sotzweiler zu gestalten, sehr überschaubar. Im Juz waren alle möglichen Leute wie Schüler/innen, Student/innen, Azubis, Leute, die einen Job hatten und welche, die keinen hatten, angehende Künstler/innen und Lebenskünstler/innen im Alter von circa 15 bis 30 Jahren. Viele waren sich über ihren weiteren Lebensweg noch nicht im Klaren, andere arbeiteten bereits im festen Job, was mitunter zu Spannungen führte. Die Schüler/innen-Fraktion hatte in der Regel mehr Zeit und „hing mehr rum“ als diejenigen, welche bereits einen Job hatten oder in der Ausbildung waren und an feste Arbeitszeiten gebunden waren. Dafür hatten letztere schon ihr eigenes Geld und vielleicht ein Auto, was wiederum andere, neue Möglichkeiten eröffnete… Manche kamen und gingen recht schnell wieder, andere blieben über Jahre. Einige engagierten sich im Juz, arbeiteten im Vorstand mit, machten Theken- oder Putzdienst, gingen einkaufen, renovierten, organisierten Freizeiten und Partys und bestimmten so das Leben im Juz mit. Andere wiederum sahen im Juz eine Stätte der Freizeit und des Entspannens, engagierten sich weniger bzw. verhielten sich passiv – was auch okay war.

Auf jeden Fall waren wir jung und hatten die Möglichkeit, unsere Freizeit und unser Zusammenleben im Juz frei zu gestalten – und standen uns höchstens selbst im Wege. Manche Ideen waren klasse, manche eher nicht so. Beides stellte sich meist erst nach der Umsetzung heraus. Wir experimentierten, waren erfolgreich oder fielen auf die Nase und machten unsere Erfahrungen.

Meine Zeit im Juz Schaumberg endete nach dem Abitur Ende der 80er Jahre. Die Wege führten mich woanders hin und ich verlor das Juz aus den Augen. Soviel ich weiß, ging es vielen anderen Leuten genauso und mangelndes Interesse einer neuen „Generation“ an der Jugendzentrumsbewegung führte wenig später dazu, dass auch das Juz Schaumberg heute Geschichte ist. Die Zeiten änderten sich, es gab neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und das Interesse an gemeinschaftlichem Engagement ließ auch etwas nach. Dieses Schicksal traf nicht nur das Juz Schaumberg Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Umso erfreulicher ist es, dass sich heute wieder junge Leute für Jugendzentren interessieren, sich einbringen, mitarbeiten und sich so wieder eine lebendige Juz-Szene im Saarland etabliert.

Abschließend kann ich sagen, dass wir im Juz Schaumberg eine wirklich tolle Zeit hatten. Wir wussten es damals nur noch nicht.